Posts Tagged ‘Tränenmeer’

Trauer ist auch ein Arsch

20. November 2012

Trauer ist auch ein Arsch, finde ich.

Ich fühle mich nicht so, als könnte ich Johannes Tod irgendwann überwinden. Ich fühle mich auch nicht so, als wäre es einfach unterschwellig vorhanden und ich bin zuerst traurig und dann weicht es Stück für Stück und alles ist (fast) wieder gut.

Ich habe mir nie genaue Gedanken darüber gemacht, was Trauer mit einem macht, wie sie sich anfühlt, wie man halt so trauert. Aber ich glaube, ich hatte schon irgendwie so ne Vorstellung davon. Vielleicht so in der Art, dass es erst schwer ist und dann immer leichter wird.

Aber so ist das nicht. Zumindest nicht bei mir. Mir geht`s zuerst sowas wie wirklich gut, weil ich sehr beschäftigt bin und dann fühle ich mich von meiner Trauer immer sehr distanziert. Das ist ganz praktisch, weil man leistungsfähig ist. Dann ist der Gedanke daran, dass ich mal ein Baby hatte und das jetzt tot ist, aber sehr abstrakt. Das fühlt sich an wie „nicht wahr“. Ich weiß, es ist wahr, aber es fühlt sich an wie eingebildet und nie gewesen. Seelenschontage.

Dann kommt die Phase, wo ich immer unruhiger und gereizter werde. Wo ich ein Ekel werde. Das macht mich gleichzeitig so unendlich traurig, weil ich so gar nicht sein möchte. Und dann beginne ich Johannes so unendlich schwer zu vermissen. Durchlebe manche Gefühle und Situationen nochmal.

Und dann fühle ich mich wie gelähmt. Bin nicht mehr leistungsfähig. Quäle mich durch die Tage. Habe keine Nerven. Schlage Zeit tot. Und hasse mich auch dafür.

Dann spüre ich nach ein paar Tagen, wie langsam sowas wie eine Last von mir abfällt und ich fange wieder an kreativ zu werden, gedanklich auch beweglicher, kann wieder etwas mehr leisten.

Bis ich dann wieder an dem Punkt bin, wo Johannes so weit weg ist, wie nie gewesen und ich mich im Hamsterlaufrad wiederfinde.

In den Leistungsphasen fühle ich mich ein amputierter Arsch, weil ich gar nicht mehr fühlen kann, dass ich den Löwen hatte. In der nächsten Phase fühle ich mich wie ein Arsch, weil ich mich wie ein Arsch aufführe. In der nächsten Phase, fühle ich mich wie ein Arsch, weil ich meinen Arsch nicht hochkriege und in der letzten Phase fühle ich mich nicht ganz so sehr wie ein Arsch, aber ich bin auf dem besten Weg dorthin.

Bin jetzt ich der Arsch, oder die Trauer?

Ich habe eben für mich beschlossen, dass die Trauer der Arsch ist.

Ich habe vorhin in einem Forum gelesen: „Mein Baby hat einen Zahn bekommen!“. Da war das alles wieder da. Mein Baby. Ja, da war doch eins. Ich hatte doch auch eins!! Und die Zähne waren eingeschossen. Aber durften nie rauswachsen. Ich hätte mich auch so sehr über einen ersten Zahn gefreut.

Stattdessen trab ich jeden Tag mit nem Arsch voll Kerzen auf den Friedhof und mach Licht. Mensch, da oben im Schlafzimmer steht ein Hochstuhl und ein Lauflernwagen. Zweiteres ein Geschenk von der Uroma und dem Uropa zum ersten Weihnachten. Heute hatte ich beim Misten für den Umzug erst die Rechnung dazu in der Hand. Der Hochstuhl ist unbenutzt. Da sollte er doch draufsitzen. Diese Bitterkeit kommt einfach immer wieder durch. Plopp. Schon ist sie da. Zuerst alles noch gut und schwupps, ein Satz, eine Bemerkung, irgendwas bestimmtes und diese Bitterkeit schmerzt im Herz, in der Magengrube.

Was ist uns da passiert? Was haben wir verdammt nochmal verloren?!

Ich vermisse diesen kleinen Stinker einfach so sehr.

Wir sind nicht alleine. Es gibt auch andere Eltern, die ihr Kind betrauern. Ein Elternpaar, das Kind hatte auch Mb Krabbe und ist vor kurzem zu den Sternen gereist, hat uns neben ein paar anderen sehr süßen Sachen ein Löwenlicht geschickt:

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Es brennt heute nicht nur für Johannes, sondern für alle kleinen Zwergennasen, die zu den Sternen gereist sind und uns Eltern, die mit dem Verlust irgendwie leben müssen.

Viele liebe Grüße

die Löwenmama

14.38 Uhr – heute vor einem Jahr

24. September 2012

Kleiner Löwe,

heute vor einem Jahr hast Du aufgehört zu atmen und bist in meinen Armen gestorben.

Heute vor einem Jahr hast Du Deinen Kampf wie ein echter, großer Löwe gegen die Windmühle Morbus Krabbe aufgehört. Aufgegeben hast Du nie.

Heute vor einem Jahr hast Du Deine Flügelchen bekommen und sie mutig ausgebreitet. An der Hand Deines Schutzengels hast Du Dich nach dorthin auf den Weg gemacht, wo Du keine Schmerzen mehr hast. Wo Du eine Freundin hast. Eine Party hattest Du zu feiern. Ein guter Grund dem Morbus Krabbe eine lange Nase zu drehen.

Feier heut schön Sophias Geburtstag, kleiner Löwe. Gib ihr einen dicken Kuß von uns allen hier unten. Wir feiern hier ein bißchen mit. Etwas leiser. Weil wir euch nicht stören wollen bei eurem tollen Fest auf der anderen Seite des Regenbogens. Heute ist die Mami traurig, ohne das Du Dich darum zu kümmern brauchst. Hab Spaß. Die Luftballons steuern wir bei. Sie finden den Weg sicher nach oben.

In Gedanken fest bei Dir und Sophia

Deine Mami, Dein Papi, Dein Bruder der Dich sehr vermisst und Deine kleine Schwester, die ganz viel von Dir redet, täglich mit Dir spielt…

Wir lieben Dich sehr, Johannes!

Regenbogen versus Marienkäfer

9. Juli 2012

Es sind gerade die Regenbögen, die mich ganz oft begleiten. So wie ich letztes Jahr x Marienkäfer gesehen habe, sind grad überall bunte Farbtupfer am Himmel. Ob sich Johannes an den kleinen gepunkteten Freunden sattgesehen hat? Hatte er einfach mal Lust auf was anderes? Ich freu mich jedes Mal über meine „Himmelsleiter“. Diese hier begleitete uns gestern eine ganze Autofahrt lange.

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estern habe ich während der Autofahrt mal ne andere CD gehört. Ein Lied, das ich öfter hörte als Johannes noch lebte. Silbermond. „Ich bereue nichts“.

 

Ich halte deine Hand, so lange wie ich kann
Und tret` die letzte Runde an

Wir haben’s beide gewusst und doch verdrängt bis zum Schluss
Dass man die Zeit nicht besiegen kann

Vielleicht wär`s besser, es wär so nie passiert
Doch vielleicht ist so ein feiges Wort

Wir haben immer gekämpft und kein Sandkorn verschenkt
Und jetzt stehn wir hier

Und ich bereue nichts
Nicht einen Schritt, nicht einen Augenblick davon
Auch wenn`s verloren ist
Auch wenn`s für uns nicht reicht
Es war doch nichts umsonst
Bereue nichts davon
Nichts davon

Die Zeit läuft gegen uns, das letzte Korn fällt stumm
Und langsam ist die Runde um

Wir haben auf Sand aufgebaut, das hat uns viel Kraft gebraucht
Doch alles davon, war es mir wert
Und ich dank dir für jeden Tag bei dir

Denn ich bereue nichts
Nicht einen Schritt, nicht einen Augenblick davon
Auch wenn`s verloren ist
Auch wenn`s für uns nicht reicht
Es war doch nichts umsonst
Nicht umsonst

Ich bereue nicht ein falsches Wort, nicht einen Augenblick
Ich nehme keine Schritt zurück
Denn ich bereue nichts
Ich bereue nichts
Ich bereue nichts
Nichts davon
Ich bereue nichts

 

Es hat mich regelrecht umgehauen. Diese Emotionen von damals, als er noch da war, mit allem was ich mit diesem Lied verband und den Emotionen die gestern aufbrachen, jetzt wo er nicht mehr da ist. Ich hab so geheult.

Es war, als hätte jemand ein Faß ohne Vorwarnung aufgemacht und es sprudelte nur so raus. Gibt es Tränenmeere in Fässern?

Ich fühle mich zur Zeit oft kaputt und so ausgelaugt. Könnte ständig schlafen. Aber keine Zeit dazu. Wir haben momentan aber im Leben auch ein Tempo drauf, manchmal raubt mir das echt den Atem.

Nächsten Monat ist Johannes 2. Geburtstag. Der erste Geburtstag seit seinem Tod. Ich hab ein bißchen Angst davor. 😦

Ich brauche noch ein Geschenk für ihn und weiß noch nicht was. Und ich muß noch Ballongas und bunte Ballons bestellen…

Morgen ist mal wieder Grabpflege angesagt. Das Gras drumherum ist hoch. Zuerst wuchs nur lustig bunter Klee drumherum, aber jetzt sieht es arg verwurschtelt aus. Und die Blümchen gehören mal wieder etwas gestutzt. Fällt das jetzt unter Zimmer aufräumen oder Kinderfriseur? Ersteres. Löwenmähnen werden nicht gestutzt, habe ich gerade beschlossen.

Es grüßt euch herzlich

die Löwenmama

Muttertag am Grab

13. Mai 2012

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Es gibt keine Worte dafür was heute in mir vorging, als ich an Johannes Grab stand und weinte.

 

Es grüßt

die Löwenmama

 

Aufbruch und die Erkenntnis, das Flucht tatsächlich nicht funktioniert

11. März 2012

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Dieses Blumenbild entstand letztes Jahr. Als schon alles klar und nichts mehr klar war. Wo schon klar war, was auf uns zu kommt und wir nicht mehr wußten, wie es weitergeht, wie wir weiter leben sollen.

Doch trotzdem symbolisiert dieses Bild Aufbruch. Frische. Blumen. Es duftet gut, Wärme. Frühling. Eine gewisse Fröhlichkeit. Aber auch den Fortschritt. Das nichts bleibt, wie es war. Und Beständigkeit. Das man sich auf die Blumen, die Jahreszeiten, das fortwährende Ticken, darauf das die Zeit nicht stehen bleibt, verlassen kann. Das es immer irgendwie weitergeht. Das ist Trost.

Mir ging heute morgen ein Licht auf. Nein, ein ganzer Kronleuchter. Alles wollen wir neu machen. Alles wollen wir anders machen. So viel Unruhe und Hektik. So viel Streß. Der Streß, das Neue macht die Unruhe. Aber es macht auch zuversichtlich. Man ist unruhig, weil Neues auf einen zukommt. Das kann auch sehr erfrischend sein. Aber es bringt auch Unruhe rein, wo wir Ruhe so dringend nötig hätten. Aber vielleicht können wir (ich??) nicht (noch nicht??) ruhig sein. Weil Ruhe abverlangt, das der Kopf nicht um das Neue kreist, sondern um all den ganzen anderen Kram, der vielleicht für den Moment zuviel wäre.

Was mir heute aufging war, dass das Neue eigentlich eine Flucht ist. Flucht funktioniert nicht. Man kann sich wunderbar ablenken. Kann über viele neue Dinge nachdenken, viele Eindrücke prasseln auf einen ein. Dann ist das Neue irgendwann da und dann kommt der Tag, da ist es nicht mehr neu sondern auch wieder alt. Und dann würde man was neues suchen, wäre man noch immer auf der Flucht.

Wann hören wir auf zu flüchten?

Wenn wir mutig genug sind uns Ruhe zu geben um die ganzen Gefühlstsunamis und Tränenmeere kommen zu lassen?

Aber vielleicht wäre es wirklich zuviel und man braucht den frischen Wind um der Nase drumrum, um dem Alten nur soviel Raum zu geben wie man erträgt?

Wenn ich das wüßte, wäre ich schlauer.

Vielleicht sollen wir aber jetzt für den Moment auch noch ein wenig vor uns selbst flüchten. Für den Moment fühlt es sich noch richtig an. Also flüchten wir halt noch ein bißchen. Oder sind wir doch nur im Aufbruch?

Einen Gruß laß ich euch noch da, dann bin ich wieder weg – auf der Flucht oder im Aufbruch. Wer weiß das schon…

die Löwenmama

Forrest Gump

3. März 2012

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Die letzten Tage war viel los. Viel, viel, viel. Hier wurde es mal ein wenig stiller, aber ich wollte euch heute wieder ein Lebenszeichen hinterlassen.

Wir arbeiten gerade an unserem neuen Leben, brechen aus dem Alten aus, weil es das Alte nicht mehr gibt. Machen uns auf in ein neues Leben – unser neues Leben. Wir haben die letzten Wochen beschlossen, von hier wegzuziehen. Ein Haus zu bauen. In Laufnähe vom Löwen. Der Große wird zum nächsten Schuljahr die Schule wechseln. Mein Mädchen besucht nun seit zwei Tagen als nigelnagelneues Kindergartenkind bereits den Kindergarten im künftigen Wohnort. Es fühlt sich richtig an, für uns alle. Das ist so ein großer Schritt.

Vor ein paar Tagen kam „Forrest Gump“ im Fernsehen. Ich höre den wunderschönen Soundtrack wirklich sehr gerne. http://youtu.be/2GFgwJiWaJE (Soundtrack von Forrest Gump)

Ich habe ihn oft gehört, mit dem kleinen Löwen auf dem Arm. Und bitterlich geweint. Und ihm immer wieder gesagt (und mir selbst tapfer vorgesagt), dass wir alles schaffen können. Wenn wir nur fest genug daran glauben, stark genug dafür kämpfen. Alles geben.

Wir haben viel geschafft und auch nichts. Aber gekämpft bis zum Letzten und alles gegeben. Ich konnte den Film dieses Mal nicht sehen. Wenn ich an die Melodie nur denke, treibt es mir die Tränen in die Augen.

Gestern haben wir es schön gemacht beim Löwen. Die Erde war über den Winter schon wieder so abgesackt und es tat sich rundrum so ein gräßlicher Spalt auf. Es war so ein verdammt beschissenes Gefühl durch den Gartencenter zu laufen und Graberde zu kaufen, ein Windrad auszusuchen. Und ein paar Blumen als Frühlingsgruß. Einen tollen Farbtupfer haben wir gefunden. Einen Marienkäfer an einer langen, biegsamen Stange, die sich im Wind wiegt. Ein fröhlicher und herrlich bunter Gruß, wenn man zum Löwen kommt. Schon von Weitem sieht man die Farben um die Wette leuchten. Und es ist seltsam beruhigend, wenn es dort wieder schön ist.

Aber heute ist meine Seele übergelaufen. Gebrodelt hat es schon ein paar Tage. Löwe im Kopf, Löwe im Herz – fehlt so sehr. Überall toben sie rum, die Zwergennasen. Er wäre jetzt bald 19 Monate alt. Würde durch den Garten laufen. Erst vor ein paar Tagen war ich mit meinem Mädchen im Schuhladen. Gummistiefel, Halbschuhe und ein Paar Sandalen. Und ich hatte noch ein paar Schuhe in der Hand, das ich gekauft hätte. Hätte. HÄTTE! Die wären es gewesen, die er bekommen hätte.

Gestern schon hatte ich so einen Drang nochmal zum Löwen zu fahren. Fühlte mich so weit weg von ihm. Heute war der Drang noch viel stärker, obwohl ich morgens schon dort war. Also setzte ich mich ins Auto und die Tränen liefen. Tränenmeer ganz voll. Viel Gefühlstsunami. So viel Loch, Trauer, Wut, Hilflosigkeit. So viel Durcheinander im Kopf, Herz und Bauch. Nur wohin damit?

Ich schicke euch Sonne

die Löwenmama

 

Ganz große Scheiße

6. Februar 2012

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Eiseskälte hat es zur Zeit. Tags – 12 °C und mehr, die Nächte noch viel kälter.

So ähnlich fühle ich mich zur Zeit. Ich kann mich schon mitreissen lassen – z.B. wenn wir jeden Tag Schlitten fahren gehen hab ich Spaß – aber sonst macht sich gern Lethargie breit. Ich fühle mich teilweise wie gelähmt. So lang hat diese Lethargie noch nie angehalten. Meistens war sie nach zwei, drei Tagen wieder weg.

Ich versuche mich nicht hängen zu lassen, habe aber oft das Gefühl mich am liebsten ins Bett zu legen und mir die Decke über den Kopf zu ziehen. (das bin nicht ich!) Trash-TV zu kucken (ich verachte Trash-TV) und einfach wirklich nichts zu tun. Stundenlang stupide und völlig sinnfreie Computerspiele (das bin ich eigentlich auch nicht) zu zocken. Aber das geht natürlich nicht.

Ich schau an manchen Tagen in den Spiegel und denke mir: „Ich wußte gar nicht, das man Scheiße so hoch stapeln kann!“ und mach trotzdem irgendwie weiter.

Es gibt so lähmende Tage wo man einfach nur drauf wartet, das er so schnell aufhört wie er angefangen hat. Man ist kaum dazu in der Lage, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Eine ganz liebe Mitleserin hat mir etwas geschickt, ein wirklich gutes Lebensmotto für solche Tage: „Things to do today: 1. to get up, 2. survive, 3. go back to bed“. Das trifft es wirklich sehr gut!

Das Wetter, ja das Wetter. Ich würde mir wünschen, auch wenn grad viel die Sonne scheint, das schnell Frühling wird. Ich hätt so gern wärmende Sonne, Blumen, Schmetterlinge, sprießendes Gras. Der Duft von Frühling oder frischem Regen an einem lauen Sommertag. Diese Kälte – brr. Das ist grad nix für mich.

Das ist alles grad wirklich blöd, blöd, blöd.

Für mich ist gestern wieder ein ganz persönliches Wunder geschehen. Johannes starb am Geburtstag von S., sie ist das Mädchen meiner ehem. Hospizbegleitung (in der ich nun übrigens einen sehr lieben Menschen gefunden und behalten 😉 habe *ich schick Dir einen ganz lieben Gruß*). S. ist schon vor einiger Zeit ins Sternenland gereist. Irgendeinen Sinn hatte es wohl, das Johannes ausgerechnet an ihrem Geburtstag starb. Es gibt so viele Tage im Jahr, warum ausgerechnet an diesem? So viel Zufall kann es gar nicht geben. Ich mag es zumindest nicht glauben.

Gestern war nun ihr Sternenreisetag und wir haben ihr ein Licht und ein Schneckenhaus gebracht. Mein Großer gab es mir und ich legte es zur Kerze und er sagte: „Mama, hier, die kleine Schnecke auch, die gehört dazu!“. Tatsächlich war in dem großen Schneckenhaus nochmal ein ganz kleines mit drin. Ich konnte es kaum glauben. Für mich war das wie „nicht alleine, zusammen, die Große und der Kleine! Das war der Wahnsinn. Ganz, ganz stark.

Mein Baby fehlt mir so sehr. Ich vermisse ihn so. Tränenmeer. Gefühlstsunami. Finde das alles so gemein. So ungerecht. Alle Lebenspläne über den Haufen geworfen. Alles anders. Alles blöd. So viel kaputt. So viele Chancen genommen. Finde mich nicht. Habe das Gefühl auf der Stelle zu treten. Manchmal wie gelähmt. Nicht die Perspektiven, die ich mir gewünscht habe. Mein verträumter Blick in die Zukunft war so ganz anders, aber das Leben kann verdammt gemein und eklig zu einem sein. Träume und Wünsche, die nicht einfach so zu verwirklichen sind. Gleich nochmal bestraft. (Stichwort Kinderwunsch, Genschrott, autosomal rezessiv) Und wenn man Mut hat, vielleicht gleich nochmal auf die Fresse. Davor Angst. Und dann heult man wieder seinen Träumen und Wünschen hinterher und fühlt sich so hilflos dem Ganzen Genschrottthema gegenüber. Warum nicht nur ein gestorbenes Kind, sondern das Folgerisiko nochmal hinterher?

Meinen Löwen kann man nicht ersetzen, aber meine Familie fühlt sich so zerrissen und nicht komplett an. Ein Loch, eine große Wunde. Einfach nicht komplett.

Das ist alles eine ganz große Scheiße!

Es grüßt euch

die Löwenmama

2011 – Das Jahr des Löwen

31. Dezember 2011

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2011 – das war das Jahr unseres Löwen.

Es war für uns ein sehr trauriges Jahr, das traurigste, das wir allesamt jeh erlebt haben. Auch ein anstrengendes Jahr – die persönliche Borderline überschreitend. Ein Jahr, in dem sich jeder einzelne von uns neu kennenlernte. Alles gab, für das er im Moment „zuständig“ war. Sein bestes gab und immer das Gefühl hatte, es ist nicht genug. Es war ein sehr lehrreiches Jahr, wo wir alle mehr lernten vom Leben, als vielleicht jeh wieder. Es war aber auch ein sehr besonderes Jahr, weil es uns viel intensive Zeit mit diesem tollen Löwen schenkte – unserem kleinen Löwenbaby.

Wenn ich zurückblicke, so war eines in diesem Jahr oft so schwierig. Neben den vielen, vielen Sorgen und der großen Angst spielte die Zeit eine so große Rolle. „Wieviel noch…“, „zuwenig davon“, „stehenbleibende Zeit“, „Zeit, die vergeht, immer im gleichen Tempo“. Auch die Liebe spielte eine große Rolle. Die unerschöpflich ist, die nie ausgeht, die man aufsaugen kann wie ein Schwamm, die man geben kann ohne was dafür zu tun, die man säckeweise wohin auch immer mitnimmt. Die letztlich sogar größer ist als der Tod. Und der Tod war es, der immer irgendwie dabei war und ist. Der endgültig ist. Der ein Drecksack ist, weil er sich von hinten anschleicht und einfach so das Liebste nimmt…

Und dann war es natürlich der Mb Krabbe, der eine sehr große Rolle einnahm. Eine viel größere, als wir ihm jemals einräumen wollten – nämlich keine. Er war kein bestellter Statist, er hat sich einfach so in unser Leben geschlichen und den Tod auch noch mit angeschleppt. Er ist „das Schwein“, das unser ganzes Leben umgekrempelt hat. Und am Schluß bleibt nur noch die Frage nach dem „Warum“. Die uns keiner beantworten kann. Auch nicht Gott. Wenn es ihn denn gibt. Worauf es letztlich auch keine Antwort gibt.

Da gibt es irgendwo auf der Welt ein kleines Kind, ein kleines Baby, das seit Juni mit seiner Löwengeschichte im world wide web steht und seitdem bald 135000 Klicks „kassiert“ hat. Das mit seiner Geschichte ohne zu fragen in der Zeitung erschien. Das von so vielen lieben Menschen gedanklich begleitet und getragen wird. So viele Kerzen. Ach könnte man alle auf einmal sehen. Unser riesen Tränenmeer könnte dieses Lichtermeer vermutlich nicht löschen.

156 Beiträge, die von inzwischen 59 Followers regelmäßig empfangen werden

748 Kommentare, die ich nie wirklich beantworten konnte aber meist so wertvoll waren

104 Tags – Worte, nett in einer harmlosen Wolke anzusehen, die unseren Alltag prägten

91.738 – so oft wurde die Startseite im letzten guten Halbjahr aufgerufen

1.931 mal wurde der Beitrag 14:38 Uhr vom 25.09.2011 gelesen

42 mal wurde das Wort „weinen“ getagged und war das am meisten benutzte Schlagwort, danach folgen

24 mal „Leben“ und

22 mal „Tod“

Ich hab diese Statistik schon sehr lange nicht mehr eingesehen und finde es interessant. Alles liegt so eng beieinander.

Es gab in diesem Jahr so viele besonders schöne Momente, die so intensiv waren. Allen voran dieser hier – nie werde ich diesen Nachmittag unter dem Apfelbaum vergessen:

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Oder wenn ich seine Hand hielt – Deine Hand, meine Hand – für immer. Ja, für immer. Ich fühle sie noch in meiner, auch wenn es mir die Tränen in die Augen treibt, wenn ich daran denke, das ich sie nie mehr halten kann. Nie mehr mit meiner Nase über seine fahren kann, über seine Stirn. Das tut so weh.

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Es gab dieses wunderschöne Sommerfest am 14.08.2011, das des Löwen erster und auch letzter Geburtstag sein sollte. Kaiserwetter, wie an seiner Taufe. Die Ballons steigen zu lassen waren so bewegend.

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Letztlich ein sehr trauriger Anblick, ein „fröhlicher“ Löwe auf einer Grabkerze…

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Wir sind als Familie immer noch sehr geschafft. Wir sind nicht mehr die Alten, aber auch noch nicht die Neuen. Aber wir halten zusammen und tragen uns gegenseitig. Es gibt noch viele, viele ganz blöde Tage. Wir lernen aber auch langsam zu lachen. So etwas wie Glück zu empfinden. Wir planen wieder unsere Zukunft, haben neue Träume. Aber immer mit dem Löwen in Gedanken und dem Herzen dabei. Es gibt keinen Tag, wo man nicht morgens schon an den Löwen denkt, ihn nicht abends vor dem Einschlafen in Gedanken im Kopf hat. Er ist immer präsent und spielt eine so große Rolle in unserem Leben, als wäre er noch da. Irgendwie ist er es auch noch. Aber es fließen auch oft Tränen. Weil er so sehr fehlt. So stark. Man kann es einfach nicht in Worte fassen.

Ich möchte mich auf diesem Weg noch einmal sehr herzlich für alle wertvollen Geschenke bedanken, egal wie groß oder klein sie waren. Unsere Fingerabdruckketten tragen wir immer. Sie sind so wichtig für uns. Ein Engelrufer ist mein neuester Begleiter und die Matrioschka-Löwen stehen neben Johannes Bild hier auf dem Tisch neben mir. Ich kann gar nicht alles erwähnen… es sind so zahlreiche Dinge. Auch für jeden Besuch beim Löwen am Grab bedanken wir uns – es macht uns immer irgendwie froh, wenn wir sehen, dass dort eine neue Kerze steht, ein Engel hinterlassen wurde, ein Blumengruß liegt…

Dieses alte Jahr haken wir gerne ab. Es war einfach nur ein Scheißjahr. In das neue stürzen wir voller Hoffnung, großen Vorhaben, aber auch etwas ängstlich. Die Leichtigkeit fehlt. Aber wir hoffen, dass es ein besseres Jahr wird. Vielleicht auch eines, wo man das Glück – ihr wißt, wie der gute Rotwein – etwas leichter fühlen kann, wo das Glück es schafft, sich etwas breit zu machen.

Ich wünsche euch allen von Herzen ein gutes neues Jahr und vor allem Gesundheit!

Es grüßt euch der kleine Löwe mit seinen stolzen Eltern und liebenden Geschwistern, als seine Welt noch halbwegs in Ordnung war…

10.11.2010

Bis zum nächsten Jahr

eure Löwenmama

…vermisse Dich…

23. Oktober 2011

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In unserer Sanduhr fällt das letzte Korn.
Ich hab gewonnen und hab ebenso verlor’n.
Jedoch missen möcht ich nichts,
alles bleibt unser gedanklicher Besitz.
Und eine bleibende Erinnerung.
Zwischen Tag und Nacht legt sich die Dämmerung.

„Und wenn ein Lied“ von den Söhnen Mannheims

 

Gestern waren es vier Wochen, morgen ist es einen Monat her, dass der kleine Löwe gestorben ist. Die Zeit ist so verdammt schnell vergangen. Regelrecht verflogen. Wo ist sie hin?

Ich hab so viel zu sagen, soviel im Kopf und krieg es nicht raus. Ich fühl so viel und fühl mich gleichzeitig so taub. Die Welt ist weniger bunt, seit der kleine Muck nicht mehr da ist. Gerade die letzten Tage sind schwieriger als die davor. Wie eine Hand, die mein Herz quetscht. So fühlt es sich immer wieder an. Tränen bei der Gartenarbeit. Tränen beim Spazierengehen. Viele Tränen am Grab. Ich möchte dort am liebsten ganz laut seinen Namen schreien. Ich vermisse ihn so so so sehr.

So viele Dinge möchte man oft erledigen und zu nichts, nichts ist man in der Lage. Mein Kopf ist voller Kleinigkeiten, die zu tun sind. Es türmt sich, ich verliere den Überblick. Dafür kommen wir im Haus voran. Neues Schlafzimmer steht, das Zimmer meines Mädchens glich einem Schlachtfeld und nun lichtet es sich. Ich kann freudig vermelden: bis auf Staub und Boden wischen und nett einräumen ist es fertig. Ja und des Löwen Bollerwagen muß noch raus und hoch. Sein Bettchen, das meinem beigestellt war bleibt ja im Schlafzimmer, aber der Bollerwagen kommt hoch.

Das hier im Haus ist wichtig. Es ändert sich hier gerade einiges und das ist gut. Umbruch auch hier. Etwas Neues machen. Raus aus dem alten Grau. Wenn nur nicht immer diese Lethargie wäre…Aber wenn man mal dran ist tut es unheimlich gut, es zu tun.

Wir sind zum Teil auch so viel unterwegs. Würde man mich fragen, was ich alles gemacht habe, wüßte ich es nicht mal. Nicht jede Fahrt ist sinnvoll. Mir fällt es nur auf, weil unser Anrufbeantworter ständig blinkt.

Vorgestern sind wir auf dem Friedhof einmal ein paar Reihen durchgelaufen. Mir war es schon lange ein Bedürfnis, das zu tun. Ich wollte wissen, wer dort alles liegt, ob dort auch andere Kinder sind. Mir sind die Tränen runtergelaufen. So viele Kinder. So viele Gräber, wo Mama, Papa und ein Kind liegen. Kleine Kinder, Babies, größere Kinder. Es ist so traurig. Warum spricht niemand darüber, warum hört man nie davon? ES SIND SO VIELE KINDER!!!

Der Löwenpapa hatte eine geniale Idee! Wir haben letzte Woche spontan gebucht und fliegen nächsten April für vier Tage nach London. Wir flüchten einfach mal ein bißchen als Paar und lassen die Kinder bei Oma und Opa. Wir freuen uns wie blöd, das Abenteuer ruft und ich habe eine Mission. Ich werde am Speakers Corner sprechen. Ich hab schon einiges im Kopf. Vielleicht geht es nicht viel um Morbus Krabbe. Aber es geht um meinen kleinen Stinker und um viele andere gestorbene Kinder. Sie haben ein Recht darauf, dass man über sie spricht. Und danach zünde ich für den kleinen Muck eine Kerze an…

Ich wollte noch vieles schreiben, aber wie zur Zeit so oft ist mein Hirn durcheinandergewürfelt. Unstrukturiert. Wie ätzend. Deswegen belass ich es einfach mal dabei.

Das Licht, die Kugel. Ihr erinnert euch? Mein Frauenforum. Ach, sie sieht so schön aus…

Es grüßt euch

die Löwenmama

 

Flucht funktioniert nicht

30. September 2011

Wir sind heut geflüchtet. Einfach woanders hin, was anderes sehen. Eigentlich wollten wir auswärts übernachten, haben aber kein Zimmer mehr gekriegt. Egal. Vor seinen Gefühlen kann man eh nicht flüchten – das habe ich heute gemerkt.

Ganz im Gegenteil, jetzt sind sie da. Ich dachte die Tage schon, mit mir stimmt irgendwas nicht. Ich dachte schon, ich kann gar nicht richtig traurig sein. Aber heute kamen wir nach und nach immer mehr zur Ruhe, standen auch mal im Stau, hingen unseren Gedanken – mal einfach nur so für sich – nach und dann kamen die Gefühle. Und die Tränen. Die Trauer. Der Verlust. Dieses Loch, das der Löwe so plötzlich hinterlassen hat.

Die letzten Monate war er einfach nur da, unfähig irgendwas aktiv zu tun. Kein Lachen, keine Bewegung, …! Es waren so viele Handgriffe zu tun, so viele Handgriffe, die einem eigentlich auch zuwider waren: absaugen, sondieren, Magensonde legen, klistieren, … aber man hat sie getan, weil sie einfach nötig waren. Man wollte, das es ihm gut geht. Es gab so viele schlaflose Nächte. So viele Tränen, die man schon vorab ins Tränenmeer gekippt hat. Der kleine Löwe war so hilfsbedürftig und konnte nichts tun – aber wir liebten den kleinen Knopf einfach nur so, wie er war. Einfach nur um seinetwillen.

Er ist nicht mehr da. Aber diese Liebe ist so stark. Das tut so weh. Ich stand jetzt schon oft vor seinem Grab. Teils mehrmals am Tag. Ich fühle mich furchtbar leer. Ich kann es nicht ertragen mich umzudrehen und einfach zu gehen. Am Mittwoch war es am schlimmsten. Morgens wird er in dieses Loch gelegt und abends ist er die erste Nacht nicht daheim. Mein Baby dort unten, in diesem tiefen, kalten Loch. Ich kann gar nicht beschreiben, wie es in mir aussieht, wenn ich darüber nachdenke.

Er fehlt mir so sehr. Er fehlt mir einfach so, so sehr. Ach Du kleiner Stinker. Ich würd so gern nochmal in Deinen Löwensträhnen wuscheln. Dir über Deine kleine, hübsche Nase fahren. Aber sie war am Schluß so kalt und das war nicht mehr das, was es einmal war. Deine Sachen riechen noch nach Dir. Irgendwann wird das verflogen sein. Und dann?

Ich komm gedanklich grad nicht so gut damit klar, dass es ihm jetzt dort besser gehen soll, wo er ist. Gibt es diesen Himmel wirklich, von dem wir träumen? Oder egal ob es „der Himmel“ ist. Gibt es diesen Ort, wo wir uns wiedersehen? Ich habe Angst davor, dass ich mir was vormache. Ja, da war dieser Marienkäfer. Das war so deutlich, das kann kein Zufall gewesen sein. Mich macht das furchtbar unruhig, das ich nicht weiß, ob es diesen „Himmel“ gibt. Ob er dort wirklich sich bewegen, lachen, gesund sein kann. Mich würde der Gedanke so glücklich machen, dass er dort die Ururoma, den Uropa, … um sich hat. Das es ihm dort gut geht. Aber ich bin mir so unsicher, dass es wirklich so ist. Werden wir uns wirklich wiedersehen?

Ich habe Angst, dass ich ihn jetzt gerade im Stich lasse. Ich kann nichts mehr für ihn tun. Nicht mehr, als verdammte Kerzen anzünden. Zum Friedhof fahren und „Gute Nacht“ sagen. Bald Blumen pflanzen. So wie gestern eine Laterne kaufen und eine selbst gebastelte Löwenkerze reinstellen und ein Windrad zwischen die ganzen Blumenherzen stecken. Das ist doch scheiße!

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Traurige Grüße aus dem Tränenmeer

die Löwenmama