Ich habe sehr lange nicht geschrieben. Mir war auch nicht so ganz klar was, ohne mich immer und immer wieder zu wiederholen. Ich war zwar jeden Tag im Blog und habe „nach dem Rechten“ geschaut, habe ein paar Mal angesetzt zu posten, aber es dann doch wieder gelassen. Aber heute wird das was. 😉
Bei uns ist etwas Ruhe eingekehrt. Wir sind kurz vor Weihnachten umgezogen und auch wenn wir noch sehr regelmäßig Handwerker im und ums Haus rum haben, haben wir uns doch ganz gut eingelebt. Es ist nicht nur außen in unserem Leben mehr Ruhe eingekehrt, sondern auch in mir drin. Das hat auch Platz gemacht für traurige Tage. Leere Tage. Tage, wo ich morgens schon weinte. Tage, wo ich weinte wenn ich in die Arbeit fuhr. Tage, wo es mich zum Friedhof zog, Tage, wo es mich nicht dorthin zog. Tage, wo ich wie ein Depp vor Johannes Grab stand und mich fragte, was ich eigentlich hier mache. Weil es so krank ist. Weil dort drin mein Kind liegt, das eigentlich mit seiner kleinen großen Schwester spielen, streiten, was weiß ich was tun sollte.
Unsere Tochter hat nun scheinbar wirklich verstanden, dass Johannes tot ist. Was das bedeutet. Das er nicht mehr wieder kommt. Sie fragte mich das wissend vor ein paar Wochen in der Waschküche: „Gell Mama, der Johannes kommt nicht mehr wieder?“ Es war eine „ich kenn die Antwort eigentlich“-Frage und das war so ein Stich ins Herz. Als ich ihr die Antwort gab, die sie bereits kannte stand sie da und begann zu weinen und sagte: „Mama, ich bin traurig, ich vermisse den Johannes so sehr!“. Da brach es mir das Herz. Zum x-ten Mal. Seitdem sagt sie oft, dass sie ihn vermisst. Was soll ich ihr sagen? Wir vermissen ihn ja selbst so sehr.
Als wir kürzlich am Friedhof waren stand sie da, drehte sich rundrum und schaute über die Gräber und fragte, ob die alle tot seien. Ob das alles Babies seien. Mich gruselte, weil sie so einen weisen, einen wissenden Gesichtsausdruck hatte. Sie weint nun auch oft, wenn wir am Friedhof sind.
Wieder kommt ein Frühling. Bald muß ich das Grab neu bepflanzen. Ein neues Jahr, wieder ein Jahr wo nichts ist, wie es sein hätte können, sollen… Ich kann die Gedanken nicht loslassen, dass mein kleiner Sohn dieses Jahr drei Jahre alt werden würde. Ich frage mich, ob ich schon wieder arbeiten würde oder noch zu Hause wäre. Arbeiten macht gerade null Bock. Viel Arbeit, ich weiß immer gar nicht was ich als erstes machen soll und habe für alles zu wenig Zeit. Und sie geht mir auch nicht mehr so gut von der Hand wie früher. Anfangs war es eine Flucht nach vorne wieder arbeiten zu gehen. Und es machte Spaß. Inzwischen ist es so, dass ich mir dort fehl am Platz vorkomme. Ich bin nur dort, weil Johannes gestorben ist. Das fühlt sich falsch an. Und es nervt mich. Das hat so einen bitteren Beigeschmack. Und ich kann es mir auch nicht damit schönreden, dass ich ja vielleicht mit Johannes auch schon wieder arbeiten würde. Es geht einfach nicht. Da kann ich mich nicht selbst austricksen.
Wir haben immer noch keinen Lebensentwurf. Es ist wie ein Hamsterrad. Aufstehen, machen was ansteht und im Kalender steht, schlafen gehen. Das liest sich jetzt schon sehr unzufrieden. Nein, so ist es nicht. Das ist teilweise schon auch „gut“. Aber mir fehlt ein Konzept. Man hat ja immer etwas vor im Leben. Irgendeinen Lebensentwurf, der bei uns etwas durcheinander geraten ist. Wir haben gerade keinen. Ich habe keinen. Ich brauche einen. Für den einen Lebensentwurf bin ich zu feige, einen anderen gibt es nicht. So ohne Plan fürs Leben nervt es mich. Ich hätte gern Ziele die mich glücklich machen. Aber die, die mich glücklich machen würden sind angstbehaftet und klappen oder auch nicht oder andere gibt es einfach nicht. Vollblutmamas brauchen Kinder zum Betuddeln und da gibt es halt schwer Ersatz dafür, wenn das nicht so tut, wie man es sich wünscht.
Bei Johannes war lange alles zugeschneit. Wir hatten teilweise echte Mühe, die Kerze in der großen Laterne anzuzünden. Nach und nach hat die Sonne den Schnee weggeschleckt und alle kleinen Kostbarkeiten von Johannes Garten freigetaut. Inzwischen treiben erste Schneeglöckchen aus und bald kommen wieder die Blausternchen, hoffe ich, die irgendwie selbst ihren Weg dorthin gefunden haben…
Es grüßt euch herzlich
die Löwenmama