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Heute vor einem Jahr – die Diagnose

18. März 2012

Es ist genau ein Jahr her, das wir die Diagnose des kleinen Löwen erhielten. Es war ein Freitag, 14.00 Uhr, als mein Herz in tausende Stücke gerissen wurde.

Irgendwie hatte ich es schon geahnt. Der kleine Muck war noch von der Narkose der Lumbalpunktion in einem wirklich jämmerlichen Zustand. Solche Eingriffe steckte er wirklich richtig schlecht weg. Und auch der Mb Krabbe hatte schon ordentlich an ihm genagt, ihm ordentlich zugesetzt.

Irgendwie hatte ich es geahnt, das sowas blödes dabei rauskommen könnte, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und sie starb an diesem Nachmittag endgültig und mit der Diagnose auch ein Teil von mir, von uns allen. Voller Hoffnung gingen wir in diesen Termin, mit großen Bauchschmerzen, gewappnet für vieles. Aber dafür kann man sich nicht wappen. Das ist zu groß. Zu schmerzhaft. Zu schrecklich und pervers.

Ein Freitag Nachmittag für eine solche Diagnose. Der vermutlich denkbar schlechteste Zeitpunkt. Aber die Ärztin wählte diesen. Warum auch immer. Vielleicht dachte sie, der Zeitpunkt wäre gut. Weil vielleicht weniger los ist und mehr Ruhe herrscht. Vielleicht dachte sie aber auch nicht nach. Vielleicht hatte sie vorher keine Zeit? Vielleicht hatte sie keine Erfahrung?

Kein Groll, weil sie uns diese Diagnose mitteilen mußte. Nein. Sie hat in der Diagnostik einen guten Job gemacht. Sie konnte dem, was Johannes hat, endlich einen Namen geben und uns in gewisser Hinsicht erlösen. Zu wissen, was auf einen zukommt ist x mal besser, als nichts zu wissen und ertragen zu müssen, das der Ausgang völlig offen ist.

Aber wie uns das alles verklickert wurde, das ganze „drumrum“, das war wirklich krass und ist unentschuldbar. Wir empfanden (und empfinden immer noch) das als höchst unprofessionell. Mit dem Wissen heute können wir sagen, dass man das um viele Stufen hätte besser machen können. Wie man jemandem so etwas sagt, ist wirklich wichtig für die Seele. Mit unseren Seelen wurde nicht gut umgegangen.

In der Vergangenheit konnten wir mit verschiedenen Menschen sprechen und im Regelfall wird man nach so einer Diagnose aufgefangen. Wir wurden nicht aufgefangen.

Ich bin Polizeibeamtin und mußte schon oft Menschen mitteilen, dass das Liebste, der Partner, die Ehefrau oder gar das Kind ums Leben gekommen ist. Und ich konnte mich nie wesentlich darauf vorbereiten. Entweder hatte ich den Verkehrsunfall selbst aufgenommen oder ich wurde im Streifenwagen sitzend davon informiert, dass xy ums Leben gekommen ist und wir das bitte der Frau soundso mitteilen sollen. Hinfahren, klingeln, sagen. Keine nennenswerten Möglichkeiten, sich darauf vorzubereiten. Spontan. Und ich behaupte jetzt einfach mal, dass ich guten Gewissens sagen kann, dass ich niemals jemanden zurückgelassen habe, den ich durch mein unprofessionelles Auftreten zusätzlich traumatisiert habe. Egal ob es ein Glas Wasser war, das ich gebracht habe, einen lieben Menschen den man hat anrufen können um den Trauernden nicht allein zurück zu lassen, ob man einen Seelsorger oder ein Kriseninterventionsteam hinzugezogen hat. Diese Nachricht zu überbringen ist Teil meines Berufes, ich wurde dazu ausgebildet und den Rest muß man selbst mitbringen. Es ist richtig schlimm, jemanden so etwas zu sagen. Aber man kann es so tun, dass derjenige das Gefühl hat, er ist nicht allein. Er wird aufgefangen. Es wird ihm beigestanden. Da ist jemand da. „Ich kümmere mich um Dich!“

Als wir die Diagnose erhielten, war das nicht so. Ich hatte in der Zeit zwischen Lumbalpunktion und Diagnose schon um psychologische Unterstützung gebeten, weil es mir sehr schlecht ging. Es hieß, da würde sich „ganz schnell“ jemand bei mir melden. Es hat sich niemand gemeldet. Warum ich nicht selbst nochmal nachgefragt hatte? Ich hatte die Ressourcen nicht mehr.

Bei diesem Termin am 18. März 2011 um 14.00 Uhr baten wir wieder um psychologische Unterstützung. „Da ist jetzt aber keiner da!“, sagte uns die Ärztin.

„Wie kann es sein,“ fragte ich, „dass ich im Dienst zu jeder Tages- und Nachtzeit jemanden der irgendwelche Firlefanz-Probleme hat und ein bißchen austickt, vielleicht einen heftigen Krach mit seinem Partner hat und in diesem Moment psychologische Unterstützung braucht ins Klinikum auf die entsprechende Station bringen kann und demjenigen wird geholfen und jetzt sagen Sie mir, dass unser Kind stirbt und da ist niemand da?“.

„Am Freitag Nachmittag ist niemand da, Sie müssen irgendwie das Wochenende überstehen und am Montag können Sie xy erreichen!“. Sagte sie. Und ich fühlte mich so verloren.

Ich hatte einen Heulkrampf, ich wußte nicht mehr wie ich Luft bekommen soll. Wie ich den Löwen in meinem Arm halten soll, weil ich keine Kraft mehr spürte, hatte Angst, er kullert mir aus den Armen. Ich dachte, ich komm mit dem Schnaufen nicht mehr hinterher. Es war eine kalte, trostlose Situation.

Was ich auch als richtig schlimm empfand war, dass sie nicht meinetwegen gesagt hat: „Johannes hat eine so schwere Krankheit, dass wir ihm nicht mehr helfen können, er wird leider sterben.“ Und dann den Rest erklärte. Nein, das Gespräch baute sich mit einem Spannungsbogen auf. Sie erklärte die ganzen Untersuchungen und Ergebnisse, vom Anfang bis zum Schluß und das Resultat lag schon irgendwie in der Luft. Irgendwie schlimm und bedrohlich hörte sich alles an. Sie machte immer wieder Pausen und wir fanden uns in der Situation ständig „und jetzt?!?“ zu fragen, bis sie letzten Endes irgendwann sagte, das er mit dieser Krankheit nicht leben kann und sterben wird. Dieser Spannungsbogen war wirklich unerträglich.

Alles andere zu der Erkrankung erfuhren wir nur grob und auf Nachfrage. Die Krankheit selbst erklärte sie schon, also dass ein Enzym fehlt und das Myelin deswegen zugrunde geht, … Aber als Laie kann man sich nicht vorstellen, wo das letzten Endes hinführt, also was mit Johannes genau passieren wird, was für Baustellen zu erwarten sind. Hierzu erfuhren wir staccatoartige Eckpunkte: „wird blind, wird taub, wird steif, stirbt“. Dazu die Anmerkung, das wir sicher googeln würden und ein paar Internetadressen.

Irgendwann zu Hause haben wir gegoogelt. Ich landete als erstes bei Wikipedia und klickte alle hinterlegten Stichworte an. Als ich am Bild des Opisthotonus hängenblieb, war es aus. So sollte mein Baby irgendwann daliegen? Das ging einfach gar nicht und wir vereinbarten einen Termin mit unserem Kinderarzt, der uns alles sehr genau erklärte.

Bei dem Diagnose-Termin wurden wir auch direkt darauf hingewiesen, das wir ab jetzt Anspruch auf einen ambulanten Kinderkrankenpflegedienst hätten. Und ein Flyer des hiesigen Kinderhospizes wurde uns mitgegeben. Wir hätten uns gewünscht, das man uns das alles behutsamer nahelegt.

Wenn man voller Hoffnung in so einen Termin geht, auch wenn man was blödes ahnt, ist das alles zu viel. Man kann es nicht gut aufnehmen und verarbeiten, weil man so sehr geschockt ist, nur noch auf Notbetrieb funktioniert. Im Nachhinein frage ich mich, ob wir überhaupt fahrbereit waren. Zumindest schien es so, ein Taxi wurde uns mal nicht angeboten. Ich in meinem Job habe eine Garantenstellung und muß das hinterfragen.

Ein Rezept händigte sie uns noch aus. Für die Luminaletten. Ich hätte in diesem Zustand nicht in eine Apotheke gehen können, ein vermutlich nicht mal vorrätiges Medikament zu holen. Auch hier hätte es sicher Möglichkeiten gegeben. Und es gab eine. Nachdem ich ihr unmißverständlich klargemacht habe, dass wir jetzt in diesem Moment definitiv nicht dazu in der Lage sind eine Apotheke anzusteuern und sie hier im Haus eine Krankenhausapotheke haben, bzw. irgendwie es sicher eine Möglichkeit gibt, dieses Medikament zumindest für ein paar Tage für Johannes zu organisieren, verneinte sie erst und ging dann doch los und kam mit einer vollen Packung zurück.

Und so machten wir uns auf den Heimweg. Mit dem Wissen, wie der Feind heißt. Mit der Gewissheit, dass wir unser Baby nicht mehr lange haben werden. Das unser kleiner Johannes, für den wir alles getan hätten, sterben wird. Mit der Angst, wie wird das den Kindern, der ganzen Familie sagen. Mit der krassen Ungewissheit, was kommt auf uns zu? Das kann doch alles gar nicht wahr sein. DAS IST EIN ALBTRAUM!!! Freier Fall ohne Rettungsschirm.

Niemand hätte gedacht, das Johannes ein Jahr nach der Diagnose bereits fast ein halbes Jahr lang nicht mehr lebt.

Die Sonne scheint da draußen so ein bißchen scheinheilig vor sich hin und tut so, als könnte das ein toller Tag werden. Aber heut ist unsere Seele einfach zu sehr von Schatten verdeckt.

miss you…

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Herzliche Grüße – wütend und gleichzeitig traurig

die Löwenmama

Heute vor einem Jahr – die Zweite

10. Januar 2012

Ich hab jetzt mal ganz bewußt nicht zurückgelesen, aber ich habe diesen Tag noch mit allen Stimmungen sehr gut in Erinnerung. Morgens waren wir sehr, sehr nervös und fahrig. Wir klammerten uns so sehr an die Hoffnung. Dann die niederschmetternde Einschätzung des Kinderarztes. Das etwas nicht mit dem kleinen Löwen in Ordnung ist. Das er körperlich schon stark entwicklungsverzögert ist und er nicht weiß, wie er das in den nächsten Jahren ausgleichen kann. Das es etwas sehr, sehr ernstes ist. Das wir auf jeden Fall die nächsten Jahre damit beschäftigt sein werden, den kleinen Mann „auf die Füße“ zu bekommen. So hab ich es noch irgendwie im Kopf. Das war es, was ich mir behalten hatte.

Ich kann mich noch so gut an das nach Hause Kommen erinnern. Wir waren am Boden zerstört. Alle Hoffnung war dahin. Wir waren verzweifelt. Aber gleichzeitig war da so eine Stärke, ich hatte diese als so ein heftiges Gefühl in mir, mich nicht brechen lassen zu wollen. Zu kämpfen. Mich nicht vom Leben kleinkriegen zu lassen. Alles zu tun, was in meiner Macht steht, um dem kleinen Muck zu helfen.

Wir mußten zu Hause erstmal sortieren, wie unser Leben weitergehen wird. Es war ja wie ein Bruch. Der Arzttermin und „ja, da ist was, auch wenn wir noch nicht wissen, was es ist“. Was daraus wird. Wo stehen wir in ein paar Monaten, einem Jahr, drei, fünf, zehn Jahren.

Was passiert die nächsten Monate, was kommt auf uns und den Löwen zu. Was passiert in der Diagnostik? Wie können wir das als Familie tragen und wie wird sich letztlich alles entwickeln. Der Löwenpapa mußte weiter, an diesem verheerenden Tag, wieder los an den Ort, wo er studierte. Und ich habe grundtiefen Respekt, das er das geschafft hat. Sich ins Auto gesetzt hat und gefahren ist. Das war sehr, sehr stark. Auch wenn sicher viele es nicht verstanden haben. Aber uns war klar – es muß weitergehen. Egal wie.

Damals hörte die Welt schonmal kurz auf – für uns – sich zu drehen.

Ein Jahr ist es her, das man alle Hoffnung – neue Hoffnung – in das Gesagte des Arztes legte. Alles, was sich nur irgendwie positiv auslegen ließ, wurde zu einem Strohhalm, an den man sich wie kurz vorm Ertrinken klammerte.

Vielleicht ist es einfach das Urvertrauen, ein Grundvertrauen, das einen immer wieder an das Gute glauben läßt. Auch wenn letzten Endes trotzdem alles ganz anders kommt.

Gestern gesehen und sofort an Johannes gedacht – zur Abwechslung mal kein Löwe oder Marienkäfer. Aber es ging kaum treffender, dazu bedarf es keiner Worte, es gibt nichts hinzuzufügen:

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Es grüßt euch herzlich

die Löwenmama

Gänsehaut-Streichler

25. Februar 2011

Muß nur kurz was vermelden, was der Wahnsinn ist. Der kleine Löwe macht immer mehr mit seinen Ärmchen, auch mit offenen Händchen. Sieht alles etwas kantig aus, aber er streicht mir über die Haut, das hat er noch _nie_ gemacht. Das fühlt sich einfach nur wunderschön und herrlich an. 😀

Er lacht seit zwei Tagen auch mal, wenn wir nur mit ihm sprechen. Das ist auch neu. Nur mit den Beinchen passiert nicht mehr. Füßchen drehen und steif machen, das wars. 😦

Ich will unsere Ministeps aber nicht kleinreden. Ich hab aber immer mehr die Hoffnung, dass bei den Bluttests kein worst case rauskommt.

Solche Erlebnisse machen mir Mut, dass noch mehr passieren kann, wenn immerhin schon das passiert.

Mein Arsch geht auf Grundeis

9. Februar 2011

Unser Löwe ist gerade der friedlichste Muck im Haus. Wir hatten ja letzte Woche zum ersten Mal Physio und seitdem schläft er besser und tiefer, bzw. wacht nicht so leicht wieder auf. Die Physiofrau meinte, er könne sich offenbar wirklich besser entspannen. Wir haben aber auch viel auf dem Ball geturnt und brav jeden Tag unsere Übungen gemacht. Er toleriert neuerdings auch die Bauchlage. Das besser spare ich mir, weil bis jetzt konnten wir ihn eigentlich gar nicht richtig auf den Bauch legen. Bäuchlings auf dem Ball ist er mir nun auch schon zwei Mal eingepennt, scheint toll entspannend zu sein, er wird auch herrlich locker und das ein und andere Mal hat er sogar schonmal seinen Kopf auf dem Ball in Bauchlage von der einen zur anderen Seite gedreht. Langsam aber immerhin.

Wenn ich ihn auf den Bauch lege macht er keinen so argen Buckel mehr. Das war das, was der Osteo mit „rigide im Bereich der Wirbelsäule/Rückenmark“ beschrieben hat. Er ist nachgiebiger und wenn er am Bauch liegt, wird der Rücken wie bei jedem anderen auch inzwischen flach. Ich hoffe, man kann das verstehen. Ich hab das gestern dem Osteo gesagt und er fand das auch. Bilde ich mir also nicht ein. 😀

Seine Kopfhaltung finde ich hat sich verschlechtert. Ich erkläre mir das aber laienhaft damit, dass er jetzt locker wird insgesamt und erst so der Muskelaufbau stattfinden kann. Ich hoffe, das trifft zu. Heute bei der Physio hatten wir dann ein mutmachendes Erlebnis: sie hatte ihn totaaaal locker geturnt und legte ihn auf den Bauch und nach einigem Gemaunze nahm er die Arme nach vorne wie beim Unterarmstütz und hob seinen Kopf etwas an. Nicht viel, vielleicht zwei cm, aber gleich zweimal hintereinander. Das hat er wirklich noch nie, nie, nie geschafft. Ich hätte heulen können, aus zwei Gründen, er will das tun und er versucht es, auch wenn es noch so schwer ist. Er liegt also nicht nur rum, sondern hat einen Willen, nämlich das zu können, was man halt als Baby so üblicherweise macht. Das heißt, die Platte ist da, er kann sie nur nicht abspielen und schafft es teilweise mit Hilfe.

Jetzt schließt sich aber der Kreis. Das „Warum“ können wir vielleicht übermorgen klären, da ist der Termin. Mir geht der Arsch auf Grundeis und ich werde jeden Tag fahriger, die Zeit hat mich sehr zermürbt.

Wie geht es mir? Ich bin nervös und angespannt. Vielleicht randaliert meine Bande deswegen so rum. Ich kann aber auch nicht aus meiner Haut raus. Es geht mir durchwachsen. Einmal sehe ich vieles wie heute positiv, am nächsten Tag gehts mir elend. Als ich letzten Freitag von meiner Krabbelgruppen-Bekannten kam, hatte ich einen völligen Einbruch. Es war unheimlich schwer für mich ihr Kleines munter brabbeln und strampeln zu sehen und der Löwe daneben. Ich komm damit noch nicht gut klar. Aber ich darf mich davor auch nicht verschließen, andere Babies zu sehen. Das wäre nicht richtig.

Ich versuche mich gerade für Freitag zu wappnen. Die Physiofrau meinte heute, dass der Muck total super gut mitmachen und darauf ansprechen würde, was sie mit ihm macht. Es ist halt immer wieder dieses steif machen. Was ist die Ursache dafür? Findet man eine? Bekommt man das in den Griff? Ist es was schlimmes? Wie sehr würde es uns beeinträchtigen… das dreht sich in meinem Kopf wie Gegenstände im Weltall. Ich versuche mir gerade immer wieder zu sagen, dass es wurscht ist, wie das heißt, was er hat. Wichtig für mich in erster Linie ist das, was man für ihn tun kann. Und ich versuche mich auch dagegen zu wappnen, wenn wir ne schlechte Prognose bekommen, das einfach so zu schlucken. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wenn nur schon dieser Freitag rum wär. Wobei ich mir sicher bin, dass wir wieder mit irgendwelchen Anschlußterminen rauskommen, bzw. die irgendwelche Untersuchungen nicht gleich machen und wir wieder warten und warten und warten müssen. Das sagt mir mein Gefühl. 😦