Lebenszeichen. Ich wollte eines hier hinterlassen.
Wir leben noch und ja, wir leben. Wir versuchen zumindest so etwas in der Art. Leider immer noch mit wenig Struktur, aber ich freue mich, wenn ich einen Tag gut rumgebracht habe und auch was „Geschafftes“ dabei war. Teilweise gelingt das auch nicht, aber darauf sei getrost geschissen.
Ja, ich mach mir gerade immer am Wochenende einen Zettel wo von Montag bis Freitag jeder einzeln aufgeführt ist und da steht in Stichpunkten, was ansteht, damit ich nichts vergesse. Es ist nämlich so, dass ich die Woche irgendwo noch als ziemlich frei im Kopf habe, weil ich locker die Hälfte schon wieder vergessen habe. Und dieses „ah, da war ja noch dieses oder jenes“ passiert mir zu oft. Der Plan ist gut.
Ich habe angefangen, das Blog in Teilen rückwärts zu lesen. Mir ist aufgefallen, dass ich mich so oft gefragt habe, was ist „wenn dann“. Wenn dann ist jetzt da und diese Fragen kann ich mir jetzt beantworten. Es fühlt sich in irgendeiner Weise gut an, rückwärts zu lesen. Ich sehe vieles nun in einem anderen Licht. Geschriebenes kann auch sehr facettenreich sein.
Wir hatten die Tage viel zu lesen. Viele Karten waren in der Post. Es gab Tage, da haben wir sie für den nächsten Tag aufgehoben, weil wir keine mehr lesen wollten. Am nächsten haben wir uns sehr darüber gefreut. Es gab Tage, da hat bald ununterbrochen das Telefon geklingelt und manchmal sind wir nicht mehr hingegangen. An anderen Tagen haben wir uns über jeden Anruf gefreut und zurückgerufen, soweit wir nachverfolgen konnten, wer erfolglos, weil nicht da oder nicht zum Telefonieren in der Lage. Über Besuche haben wir uns immer gefreut. Viele liebe Gedanken, viele liebe Worte, viele liebe Menschen begleiten uns.
Die Tage waren durchwachsen. Keiner richtig schlecht, aber körperlich bin ich teilweise einfach etwas durchgehängt. Vorgestern hatte ich übelste Kopfschmerzen und ich hab seit einer kleinen Weile immer wieder unangenehme Magenschmerzen, Verdauungsprobleme, Kreuzschmerzen, bin sehr müde, schlafe schlecht, friere, der Kreislauf spinnt. Als irgendwie durcheinander. Sicher psychosomatisch, aber es ist ja da.
Mein Hausarzt hat eine Mutter-Kind-Kur angesprochen, aber ich vermute ganz stark, dass mein Großer streikt. Auch wegen der Schule hätte ich kein gutes Gefühl. Es gäbe zwar die Möglichkeit, dass er dort unterrichtet wird, aber das ist nicht dasselbe. Außerdem ist es genau die Struktur, die wir jetzt versuchen in unseren Alltag zu bringen, die er braucht. Struktur, Kontinuität, seine Freunde, seine Hobbies… da paßt keine Kur rein. Ich hätte nichts dagegeben gehabt und wäre schon gefahren. Ich finde es aber nicht schlimm. Ich nehme mir bewußt Auszeiten wie einen Mittagsschlaf oder laß den Haushalt liegen und mach was mit den Kindern, gehe raus und hab jetzt dann bald vor, einen Abstecher in die Therme zu machen für ein paar Stunden. Da kann ich auch tanken.
Der Löwe fehlt mir so. Ich besuche ihn jeden Tag mindestens ein Mal. Es nagt immer öfter an mir. Ich fang plötzlich recht unkontrolliert in doofen Situationen zum Heulen an, das finde ich irgendwie blöd. Am Freitag werde ich mich daran machen (müssen), das Grab abzuräumen. Die Blumengestecke von der Beerdigung sind noch drauf und sehen inzwischen wirklich scheußlich aus. Aber ich hab gar keinen Drive. Gleichzeitig treibt es mich um, dass es dort „so aussieht“. Ich möchte es gern schön und sauber machen.
Wir sind viel unterwegs, haben viel zu tun. Ich finde das eigentlich ganz gut. Hier ist gerade Jahrmarktswoche und ja, auch dort gehen wir hin. Wird aber nicht von allen verstanden und für gut befunden. Seis drum. Die Kinder waren dort sehr glücklich und hatten Spaß. Es gibt keinen guten Grund, wieso wir keinen Spaß haben sollten. Außerdem wollte ich dem Löwen eine Rose schießen. Die liegt jetzt unter seiner Laterne. Einen Jahrmarktbesuch hätte er unter anderen Umständen sehr toll gefunden. Wie soll ich ihm von dort was mitbringen, wenn ich nicht hingehe?
Vorgestern ist hier mal wieder etwas sehr seltsames, fast gruseliges passiert. Ich saß mit meinem Mädchen auf dem Schoß am Küchentisch und hörte ein bestimmtes Löwen-Lied ganz konzentriert. Plötzlich fiel mit einem furchtbar lauten Krachen das größte Messer aus dem Messerblock auf die Arbeitsfläche und auf den Fußboden. Was bin ich erschrocken. Mein erster Gedanke war, dass der Löwe mitbekommen hat, dass die Mami nicht genau weiß, wie sie die Marienkäferchen werten soll und dann schickt er ihr halt einfach was deutlicheres.
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Ich war heute schon sehr tief berührt. Ich bin in einem sehr lieben Frauenforum. Sehr viele Frauen dort haben sich zusammen getan und für uns, respektiv für den Löwen, diese Leuchte anfertigen lassen. Ja, da steht der Name des Löwen drauf. Jetzt ist er doch geoutet. Aber diese Leuchte ist einfach so wunderwunderschön, dass ich sie hier unbedingt verewigen wollte. Es hat mich tief beeindruckt, es ist ein großer Geldbetrag gespendet worden, der nun an „unser“ Hospiz weitergeleitet werden wird. Ich und der Löwenpapa finden das einfach nur stark. Wir möchten uns auch auf diesem Wege sehr herzlich dafür bedanken. Auch für die vielen Karten von euch, ihr Lieben. Ich bin mit Lesen noch lange nicht durch. Das hat mich wirklich sehr, sehr tief berührt. Das muß erst noch sacken.
Die Leuchte wird ihren Platz unter des Löwen Lieblingsapfelbaum bekommen im Sommer. Das ist perfekt!
Es grüßt euch
die Löwenmama