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Lebenszeichen – und „Neid ist nicht gleich Mißgunst“

25. Juni 2013

Hi an euch alle da draußen,

ich habe hier sehr lange nichts mehr geschrieben. Sicher nicht, weil ich nichts zu sagen gehabt hätte, aber die Themen, mit denen ich mich in den letzten Monaten rumgeschlagen habe, in meinem Kopf und meinem Herz, waren nicht für die Öffentlichkeit eines Blogs bestimmt. Ich mußte mir über manche Sachen erstmal selbst klar werden, das war für mich ein schwieriger Prozess.

Und ich war etwas gehandicapt, da mein Netbook seit dem Umzug noch nicht internettauglich war und mit den anderen Medien im Haus ist posten langwierig und nervig und nicht mal eben zu bewerkstelligen. Aber hier bin ich mal wieder und möchte ein paar Gedanken hier lassen.

Seit dem Einzug haben wir uns gut eingelebt und so langsam kennen wir hier auch die Leute rundrum und vom Kindergarten. Meine guten und schlechten Zeiten wechseln sich noch immer ab, aber ich habe jetzt bessere Zeiten, die auch gern mal länger werden. Aber die schlechten Zeiten – auch wenn sie nie allzu lang dauern – sind wirklich schlecht. Ich kann aber besser steuern, wann ich das „rauslassen“ kann. Und wenn ich dann für mich meine Ruhe habe, fließt es auch. Teils sehr heftig, aber ich fühle mich besser danach. Ich fahre dann oft zu Jo oder schaue mir zu Hause seine Bilder und Videos an, wühle in seinen Sachen, rieche daran und bin trauriger denn je, dass sie seinen Duft verloren haben. Sie riechen jetzt einfach nach uns und nicht mehr nach ihm. Mir ging damit etwas verloren. Aber es war klar, dass es irgendwann so sein wird.

Ich habe gestern eine Wortsammlung gemacht, rund um das Sterben meines Kindes. Ich fand es einfach mal wieder wertvoll, sich alle Emotionen dazu anzusehen und sie auch ohne schlechtes Gewissen zuzulassen. Auch die, die von außen sicher unverständlich sein könnten. Wie kann ich „froh“ sein? Doch, ich war es. Es war gut, das es vorbei sein durfte.

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Interessant fand ich, dass alles immer noch so zutrifft von meinem Empfinden her. Vielleicht waren kurz nach seinem Tod manche Worte ganz dick und heute sind sie es nicht mehr und andere sind dafür dick, die ich damals etwas in den Hintergrund gestellt hätte. Aber grundsätzlich hat sich daran nichts geändert. Ich bin unserem Kinderarzt heute noch dafür sehr dankbar, dass er mir bereits im Vorfeld gestattet hat, auch erleichtert und froh sein zu dürfen. Ich hätte sonst größte Probleme damit gehabt, mir auch diese Gefühle, die so gar nicht in das Ganze passen wollen, zugestehen zu können. Ich glaube nur deswegen konnte ich es mir erlauben, einfach so auch diese Gefühle zu leben.

Ich fahre inzwischen nicht mehr täglich zu Johannes. Ich fahre, wenn ich mag und es brauche. Das kann an manchen Tagen mehr als einmal sein, dann ein paar Tage gar nicht und ich fahre nur, weil die Kerzen mal wieder brennen sollten. Ich fahre teilweise auch bewußt nicht, weil es mir nicht gut tun würde. Ich war dieses Jahr vor und nach dem Muttertag, aber nicht an diesem Tag selbst, da ich mich dieses Jahr einfach nicht damit quälen wollte. Für mich ist es, als würde man mich schlagen, am Muttertag am Grab meines kleinen Stinkers zu stehen.

Wir haben immer noch unsere kleinen, süßen Begleiter. Man glaubt es kaum. Erst die Tage war ich mit meiner Tochter auf einer Familienwanderung, die der Kindergarten veranstaltet hat. Ich sah beim Picknick in der Wiese einen Marienkäfer und zeigte ihn ihr noch und wollte ihn fotografieren. Seht, was ich dann entdeckt habe, als ich den Fotoapparat aus dem Rucksack kramen wollte?
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Er ist immer dabei!

Aber ich stehe oft im Konflikt. Im Kinderturnen, bei solchen Wanderungen, bei Festen rund um die Kinder, kürzlich auf dem großen Indoorspielplatz… eine meiner beiden Hände ist immer leer, wo ich eine zweite kleine Hand halten sollte. Das tut weh und wird mir dann jedes Mal wieder so sehr bewußt. Und da kamen auch diese Gefühle des Neides in mir auf. Vor allem, wo ich ständig Schwangere um mich rum habe und Frauen mit ganz kleinen, frischen Babies. So langsam hat sich herauskristallisiert, dass das am schwersten für mich ist. Es sind nicht die Kinder, die jetzt so alt sind wie Jo wäre. Ich muß tatsächlich immer überlegen, wie alt er jetzt gerade im Moment wäre, die Zeit verschwimmt. Und was er könnte und was er wohl machen würde. Diese Gedanken kommen komischerweise immer hoch, wenn ich ihn besuche. Wenn ich erzähle, was wir gemacht haben. Da überlege ich mir oft, wie er wohl wäre. Was er mögen und nicht mögen würde. Wie die Kleine und er wohl rumzanken würden.

Nein, es sind die ganzen Mamas mit den Tragetüchern, mit den kleinen Zwutschgis auf dem Arm oder die mit dem dicken Bauch. Die setzen mir ordentlich zu. Ich habe mir große Vorwürfe gemacht, weil ich Neid irgendwie mit Mißgunst gleichgesetzt habe. Macht man das allgemein so? Ich habe mich nun mit dem Thema Mißgunst auseinandergesetzt und für mich festgestellt, dass einem das auch suggeriert wird. Also auch andere Neid mit Mißgunst gleichsetzen. Ich bin neidisch auf die Kinderschar der anderen, also gönne ich sie ihr nicht? Nein, das ist natürlich Quatsch. Ich mußte somit nun lernen, dass man sehrwohl auf etwas neidisch sein kann und man dem anderen trotzdem sein volles Glück gönnt. Es ist kein boshafter Neid. Im Gegenteil, es ist wunderschön, dass es all diese Kinder um mich rum gibt. Aber es wäre noch schöner, würde meiner mit rumhüpfen. Es ist ein bitterer Neid.

Johannes hatte gestern Namenstag. Pünktlich dazu ist seine Rose aufgeblüht:

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Und was ich auch schon lange posten wollte – wir konnten am 18. April diesen Jahres endlich Johannes Geburtsbaum pflanzen – es wurde ein Gravensteiner Apfelbaum. Seine Plazenta liegt darunter…

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Es grüßt euch herzlich nach langer Zeit mal wieder

die Löwenmama