Posts Tagged ‘Apfelbaum’

„Mama, was ist gestorben?“ …

30. April 2012

„Mama, was ist gestorben?“ ‚“Gestorben ist, wenn man der Mami Marienkäferchen vom Himmel schickt um ihr ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, statt Quatsch zu machen.“

Dieser Satz fiel mir letztens spontan ein, als ich draußen den Rasen mähte. Ich machte mir Gedanken darüber, was man wohl im Himmel so macht. Denn auch wenn ich nicht mehr an Gott glaube, denke ich immer noch, dass es sowas wie den Himmel gibt. Vielleicht so eine Art Ort wo man sich eine Weile aufhält und einfach ist, bevor man eine neue Aufgabe bekommt und die Seele ihre Flügel wieder weit aufspannt und in ein neues Zuhause, ein neues Leben fliegt.

Dann sitzt man im Himmel und hat so furchtbar viel zu tun. So furchtbar viel Spaß. Und Johannes hat viel nachzuholen, war doch sein letztes Leben ziemlich spaßfrei und anstrengend. Ab und zu schaut er mal zu mir runter oder manchmal bitte ich ihn darum, auf mich oder den Papi oder die Geschwister besonders gut aufzupassen. Manchmal klingle ich nach ihm mit meinem Engelrufer, aber nur wenn es ganz, ganz dringend ist. Und dann sieht er mich vielleicht weinen, spürt meine Verzweiflung. Und dann schickt er sie, die Marienkäferchen. So stell ich mir das vor.

Die letzte Zeit war ich so quirlig. Kaum zu Hause. Wirklich ständig auf Achse. Habe Überstunden noch und nöcher gemacht. Lauter Projekte begonnen. An allen Fronten gekämpft. Wenn ich Johannes besuchte, war er oft so weit weg. Ich konnte nicht gut zu ihm hinfühlen. Ich ließ mich vom Leben mitnehmen, ich lachte, hatte Spaß. Aber irgendwie war ich das nicht. Die Maske lacht. Die Maske scherzt, macht zu lustige, zu blöde Witze. Und unter der Maske ist es dunkel. So eine tiefe Traurigkeit hatte mich erfasst. Unterschwellig. Nicht greifbar. Aber dennoch da.

Gestern ist er dann geplatzt. Der Knoten. Wie eine Wunde, die schon länger vor sich hin laboriert und dann bricht alles auf und es eitert. Und mir war wieder einmal klar, dass diese Narbe vielleicht irgendwann einmal schon zuheilen wird. Aber sie wird weder schön, noch unsichtbar und sie wird immer irgendwie weh tun.

Gestern abend brach mal wieder alles aus mir heraus. Ich hab so geweint. Ich konnte schon lange nicht mehr so weinen. Vor kurzem mal bei Johannes am Grab. Da kam ich und noch ehe ich die Kerzen anzünden konnte, lief plötzlich ein ganzer Sturzbach an Tränen los. Aber es war mir peinlich. Ich wollte weder so verheult in den Kindergarten mein Mädchen abholen, noch so zum Arbeiten. Also drängte ich die Tränen zurück, schluckte sie hinunter.

Das Weinen gestern tat irgendwie gut. Der kleine Muck fehlt mir so sehr. Ich bin schon wieder so wütend, fühle mich vom Leben so ungerecht behandelt. Und ich fühle mich so hilflos, weil ich nichts, nicht, nichts an der Situation ändern kann. Trauer ist wie ein langer Tunnel und ich hab keine Ahnung, wann da Licht kommt.

Hier ein Bild aus London, das gut zu meinem Empfinden paßt. Dunkel, trist, nackt. Kalt und karg und tief unten.

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Kürzlich bin ich Streife gefahren. Die Sonne hat so herrlich gescheint. Wir fuhren durch die Innenstadt und all die Mamis mit ihren Kindern in den Buggies rumlaufen zu sehen… wenn dann noch eine um die Ecke fuhr mit nem Kinderwagen und nem Geschwisterboard dran, wars vorbei. Ich könnte grad nicht mit meinen Kindern zum Bummeln gehen. Genau aus diesem Grund. Das geht (noch) nicht.

Ich habe angefangen, die Geschichte des Löwenbabies aufzuschreiben. In allen Facetten. ich hoffe, ich bekomme es fertig. Wünscht mir Glück und einen lange Atem. Geduld ist nicht meine Stärke. Aber ich hab das Gefühl, ich bin es mir und vor allem Jo schuldig.

Johannes Apfelbaum blüht. Er sieht richtig hübsch aus. Aber es tut mir in der Seele weh, das er ihn nicht mehr sieht. Wir nicht mehr drunter liegen können. Heute möchte ich noch mein Versprechen einlösen, das ich ihm letztes Jahr gegeben habe. Ich bring ihm ein paar blühende Zweige mit.

Es grüßt euch herzlich

die Löwenmama

Osterlöwe

10. April 2012

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Vor Ostern hatte ich angefangen zu arbeiten. Viel Neues, es hat mich richtig durchs Leben gepustet. Hochrote Wangen, Feuereifer erfassten mich und es fühlte sich so verdammt richtig an.

Ich war so euphorisch, mittendrin, voll dabei. Und ich habe inzwischen dazugelernt. Zuviel Euphorie, alles easy und Johannes ist so weit weg. Er fühlt sich so verdammt weit weg an. Kaum hinzuspüren, was mich mitunter verzweifeln läßt. Wenn diese superduper Energie, die Euphorie zusammentrifft und mein Bub sich nie dagewesen anfühlt, dann kommt es – das Loch. Und ich wußte es und trotzdem machte es flupp und ich saß drin.

Ostern. Das erste Ostern ohne Jo. Ganz blöd fühlte es sich an. Osterüberraschungen für die Kinder ausdenken und einkaufen gehen. Und das Herz blutet. Hab ich meinen Löwen doch auch so sehr lieb und möchte ihm ein Ostergeschenk machen. Und es fühlt sich so falsch an, Schokihasen und kleine, bunte Schokieier zu kaufen und in Nester zu richten und daneben das Transparentpapier, Kleber und eine Grabkerze stehen zu haben.

Es fühlte sich so verdammt falsch an, vor den Ostersachen die Qual der Wahl zu haben und für den kleinen Löwen statt feiner Leckereien, die wundervolle Schokomünder zaubern, Holzanhänger mit langen süßen Ohren zu kaufen, um sie danach an dumme, dumme Zweige zu hängen. Zweige seines Apfelbaums hab ich ihm übrigens mitgebracht. Mit bunten Eiern und den besagten Hasen dran. Und wenn der Baum blüht, gibt es nochmal Zweige. Das habe ich ihm letztes Jahr versprochen, als er noch in meinem Arm lag.

Morgen geht es wieder schrill weiter. Ich verabschiede mich für ein paar Tage nach London. Wir lassen uns nochmal das Leben durchs Hirn pusten. Schrill, bunt, laut soll es werden. Ein bißchen ver-rückt. Das kann ich sehr gut – können wir sehr gut – gebrauchen.

Einen Abschluß haben wir heute hinter uns gebracht und es fühlte sich traurig aber gut an. Im Kondolenzbuch des Kinderhospizes durften wir den Löwen verewigen… der erste bunte Eintrag und ein paar gelbe Sterne mit einem Bild des kleinen Löwen sind nun die Spuren des Löwen, die er auch dort hinterlassen hat.

Herzliche Grüße schickt euch

die Löwenmama

Marienkäferchenbesuch – die zweite

2. Oktober 2011

Gestern hatten wir wieder Marienkäferchenbesuch. Wir saßen auf einer Bank und haben der Kleinen und dem Großen beim Spielen am Spielplatz zugeschaut und plötzlich fragt der Löwenpapa, was er denn dort hinten im Nacken hätte. Und was sitzt da? Ein vorwitziger Marienkäfer. Er verweilte da ein bißchen und dann war er weg – aber nicht ganz. Er war unbemerkt in seinen Hemdkragen gekrabbelt und hat dort weiter gekitzelt. Ich nehm es jetzt einfach mal an und sage „wie schön“.

Der Ausflug gestern tat gut. Viel Luft, viel Freiheit, auch gedankliche. Aber der Löwe fehlt. Er fehlt so sehr. Wir besuchen ihn jeden Tag – ich muß immer noch so viel weinen. Andererseits wechselt das auch mit Phasen, wo ich nur schwer fühlen kann. Da fühlt es sich wie „ist ja gar nicht so schlimm“ an. Aber doch, es ist schlimm. Man kann es nur nicht gut fühlen, weil man so abgespalten ist.

Immer wieder habe ich plötzlich die Bilder von meinem sterbenden Löwen vor Augen. Ich hoffe so sehr, dass sie verblassen. Ich kann kaum was machen, die Bilder gehen dann einfach nicht weg. Der Film läuft, ohne Stopptaste.


Wir haben gestern noch versucht, hier etwas „klar Schiff“ zu machen. Die letzten Tage hat man zum Essen den Tisch abgeräumt und zum nächsten Essen wieder. Zwischendrin ist nichts passiert. Die Dreckwäsche stapelte sich und man mußte, wenn man auf Toilette wollte, drüberklettern. So war es in den ersten Tagen nach der Diagnose auch. Da gingen uns fast die Unterhosen aus.

Wir sind aber noch sehr unstrukturiert. Man fängt was an und wird nicht wirklich damit fertig. Das nervt.

Heute gehen wir ins Bauernhofmuseum. Apfeltag. Das ist ein Löwen-Tag, wo er doch so gerne unter seinem Apfelbaum lag…

Danke für eure sehr wertvollen Zeilen. Wirklich Danke!

Grüße aus dem Tränenmeer

die Löwenmama

ver-rückt

28. Juni 2011

Ich fühl mich heute wie etwas ver-rückt. Ich ertrage das hier eingesperrt sein nur schwer.

Ich bin so unendlich traurig. Weil –

irgendwann
ist der tag
da schleicht er sich an
vielleicht von hinten
ohne vorwarnung
und
nimmt dich mit

oder

er wird ganz sichtbar
und du bist
nicht ganz plötzlich
aber ohne
etwas
dagegen tun zu können
weg

nicht mehr da
einfach so
und ich kann
nichts
nichts
nichts
dagegen tun

vielleicht ist es
gut
so?

würde es nicht
um mein
KIND
gehen, sondern um
irgendwen
würde ich mir
anmassen
„es ist besser so“
zu sagen.

bei seinem eigenen
KIND
fällt das
zu
schwer.

ich liebe dich, kleiner löwe.

danke, dass du mit mir heute so fein unter dem apfelbaum gelegen hast. ich habe es aufgesogen in mir. ich glaube, du auch.

Ich und der dunkle, fensterlose Raum

7. Mai 2011

Ich hab für mich beschlossen, dass ich morgen keinen Muttertag feiere. Ich mag den Muttertag sonst eigentlich ganz gerne – nicht wegen Geschenke, Blumen oder sonstigem Gedöns, aber irgendwie ist es ein netter Tag. Ich hab mich als Kind immer drauf gefreut, wenn Muttertag ist und hab meiner Mama den Tisch besonders schön gedeckt. Hab das sonst auch gern gemacht, aber an diesem Tag war es auch für mich etwas besonderes. 🙂

Am Muttertag selbst als Mutter war es mir an diesem Tag besonders bewußt. Ach ich weiß gar nicht genau, wie ich sagen soll. Liest sich alles bescheuert. Dieses Jahr kommt alles zusammen. Mein Großer ist bei meinem Ex. Er weiß, das Muttertag ist, aber für ihn hat er offenbar nicht diese Bedeutung. Das ist so, nicht zu werten und gut. Ich hab da etwas romantischere Vorstellungen davon, aber sowas kann man sich wünschen und wenn es nicht ist, ist es halt nicht. Mein Mädchen ist dafür noch zu klein und der Löwe sowieso und ich empfinde es als Hohn, dass ich ihn vielleicht nur diesen einen Muttertag lang in meinem Arm halten darf.

Mein Mädchen dreht grad schon wieder – warum auch immer – durch. Schmeißt alles rum, rüttelt an allem, ich weiß gar nicht, was ich machen soll, wenn sie so ist. Da fühl ich mich als absolute scheiß-Mutter.
Das Löwenbaby schaut in meine Richtung, aber durch mich durch. Ich haße mein Leben, so wie es gerade ist.

Mein Baby ist blind, es kann mich gar nicht mehr sehen. Mein Baby ist taub, es kann mich nicht mehr singen hören. Er hört das nicht mehr, was ich ihm alles von der Welt erzählen will. Irgendwann ist er nicht mehr da und ich kann ihn nicht mehr fühlen. Wenn meine beiden Großen nicht wären, würde ich, denke ich, mitgehen. Dann würden wir gemeinsam gehen, er in meinem Arm. Dann müßte ich ihn nicht allein lassen. Ganz sicher bin ich mir nicht, aber es ist auch egal, weil die Frage stellt sich ja nicht.

Ich hab seit einiger Zeit ein sehr genaues Bild von meinem Leben, wie ich es gerade empfinde, im Kopf. Es ist ein fensterloses Zimmer. Dieses Zimmer hat eine Tür. Diese Tür ist zu und ich sitz da drin. Erst wenn diese Tür aufgeht, kann ich raus aus diesem fensterlosen Zimmer. Diese Tür geht aber erst auf, wenn mein kleiner Löwe geht. Ich will da nicht drin bleiben, will aber auch nicht, dass sich die Tür öffnet. Ich weiß, dass ich da nicht für immer drin bleiben kann. Wenn ich rauskomme, ist aber nichts mehr wie vorher. Ich habe Angst davor, was außerhalb dieses Zimmers ist. Die Tür, durch die ich in dieses Zimmer kam, ist zugemauert. Es gibt kein zurück. Alles, was da draußen war, ist weg, anders, verwandelt. Ab und zu fühlt man sich in diesem Zimmer wohl. Man sitzt in der Ecke und läßt einfach den Moment verstreichen. Er ist perfekt, wie er ist. Das sind die Stunden mit dem Löwen in der Sonne unter dem Apfelbaum. In anderen Momenten aber geht man auf und ab und ist unruhig, wie ein Löwe im Käfig. Das ist das Unerträgliche. Dann wieder klopft man sachte an der Tür. Das sind die Momente, wo man ihm wünscht, dass der Schutzengel bald kommt und ihn holt, weil es ihm nicht gut geht. Dann widerum wünsche ich mir ein Loch, in das ich fallen kann. Das sind tränenreiche Tage. Aber diese Tränen müssen geweint werden.

Ich spüre zur Zeit so eine Furchtlosigkeit. Ich glaube, hätte ich jetzt Dienst und ich würde einem Schwerverbrecher gegenüberstehen der sich der Festnahme entziehen will, würde ich zu ihm sagen, dass ich nicht einen Funken Angst vor ihm habe. Das er mir mit keinen Schlägen, nicht mit Tod, nicht mit irgendwas auch nur annähernd weh tun kann. Ich hätte aber Angst, dass ich mich nicht im Griff habe und völlig ausraste. Also, arbeiten wäre jetzt gerade keine gute Idee. Steht auch nicht zur Debatte.

…grenzwertig…

28. April 2011

Heut ist ein blöder Tag. Die Nacht war schon richtig blöd, ich bin extrem unausgeglichen, unruhig, weiß gar nicht, wohin mit mir. Wir sind draußen, mein Mädchen ist total anstrengend, will alle zwei Minuten was anderes. Rauf aufs Trampolin, wieder runter, gießen, Wasser spritzen, wieder Trampolin. Schuhe an, Schuhe aus und jedes mal den kleinenLöwen hinlegen, den kleinen Löwen aufnehmen, usw. Zwischendrin versucht der Muck wieder Schleim aus der Lunge hochzuhusten, das hört sich furchtbar an, wieder hin, hochnehmen, Schleim absaugen, währenddessen trotzt mein Mädchen wieder.

Ich bin total genervt und will gar nicht genervt sein. Ich hab die Nudel doch so lieb, aber heut ists langsam grenzwertig.

Wenn er gesund wäre, würde er sich sicher kaputt lachen, wie seine Schwester im Trampolin rumkugelt und er könnte sich auch schon mindestens drehen, robben oder krabbeln, sitzen. Mein Mädchen hätte wen zum Spielen, so wie ich es mir für sie gewünscht hatte.

Und was ist? Alles scheiße. Ich hasse mein scheiß Leben. Ich will das alles nicht! Ich will mein altes Leben wieder.

Aber das ist weg.

Ich befürchte, ich bin heut nicht sehr konstruktiv.

Ich hab sonst den Frühling so sehr geliebt. Ich weiß nicht, wie ich ihn künftig erleben werde. Sonst hab ich mich immer so über die Apfelblüten gefreut. Heut hab ich meinem Löwenbaby erzählt, wie schön sie aussehen, er kann sie ja nicht mehr sehen. Ich hab ihm versprochen, ihm jedes Frühjahr welche zu bringen, wenn er nicht mehr bei mir ist.

Er ist so hübsch. So ein wunderschönes Baby. Seine Haare werden richtig schokobraun, wie meine. Er ist mir so wertvoll. Wie kann man mit einem so gebrochenen Herz weiter leben, frag ich mich immer. Die anderen schaffens irgendwie, dann ich wohl auch. Kann ja meine Lieben nicht im Stich lassen.