Posts Tagged ‘Angst’

Es wird schon irgendwann wieder. Aber nie mehr gut.

24. Juni 2012

Ich habe schon lange nicht mehr gebloggt. Unser Leben ist zur Zeit voller Leben. Ein bißchen zu viel davon. Ich habe zu wenig Zeit für mich. Der Bau unseres Hauses beansprucht uns sehr, auch wenn wir selbst keinen Stein in die Hand nehmen. Das Drumherum ist ein mords Gerenne. Selbst der Umzug erfordert jetzt schon Vorarbeit und wenn es nur das Entrümpeln des Dachbodens und Kellers ist, um einen Makler ins Haus zu holen, ohne sich schämen zu müssen.

Obwohl alles so voll ist, die Zeit zu wenig, ist Johannes immer mit dabei. Es ist wenig Zeit für Schmerz, aber wenn dann intensiv. Er fehlt. Egal wann. Egal wo. Überall.

Immer öfter kommen Gedanken durch wie es wäre wenn er gesund wäre. Wie alt er wäre, man fängt an zu rechnen und ich ärgere mich dann darüber, dass ich es nicht präsent, sofort auf dem Schirm habe. Was er wohl tun würde. Was er mögen würde. Was sein Lieblingsspielzeug wäre. Was er für einen Spitznamen hätte. Was er am liebsten essen würde. Was er für Marotten hätte… Wer wäre er? Wie würde sich seine Stimme anhören? Wie würde sich „Mama“ oder „Papa“ aus seinem Mund anhören?

Beim Dachboden räumen falle ich immer wieder über Spielsachen, über die er sich jetzt sicher riesig freuen würde. Auch über die Stoffwindeln, die wir erstmal behalten wollen. Soll da nochmal ein Baby rein? Will ich das? Schaffe ich das? Kann ich mir das überhaupt vorstellen? Was wäre, wenn ich nicht wollen würde, ich es bereue, es aber zu spät ist? Was ist, wenn ich will und es klappt nicht? Was gebe ich auf? Was würde ich gewinnen? Ich finde Babies immer noch ziemlich komisch. Nicht böse gemeint, aber vielleicht wie kleine Aliens? Wie zum Teufel schaffen sie es, ihren Kopf zu halten? Diese Zappelei ist normal und schaut für mich so unnormal aus. Ich habe kein normales Verhältnis mehr dazu. Hätte vermutlich ständig Sorge, ob alles normal ist. Total verschroben.

Warum ist der Mensch so? Ich könnte auch sagen, meine Familie ist komplett und fertig. Warum machen Kopf und Herz da ihr eigenes Ding? Alle Denkerei ist sinnlos, so lange wir nichtmal wissen, ob wir über die Humangenetik erfolgreich sind. Ob die genetische Untersuchung bei uns überhaupt bezahlt werden wird von den Versicherungen und ob wir mit den Ergebnissen was anfangen könnten. Aber wo ist die Stopp-Taste?

Mir ist völlig abhanden gekommen, in die Zukunft zu denken. Vor Johannes hatte ich schon immer irgendwie so nen Plan von meinem Leben. Das ist jetzt ganz anders. Ich muß oft genug zum Wochenende hin ganz bewußt schauen, was nächsten Montag ist. Nächste Woche Freitag ist gefühlte Jahrhunderte weit weg. Unstrukturiert hoch 10. Inzwischen glaube ich, es wird schon irgendwann wieder werden – aber es wird nie mehr gut.

Arbeiten macht immer noch wahnsinnig viel Spaß und erfüllt mich sehr. Ich bin dort zwar immer noch nicht ich, aber egal. Das, was ich da bin, ist lustig. Zwar nicht ich und nicht authentisch, aber lustig.

Ich bin gerade warum auch immer sehr auf Krawall gebürstet und in einer fetten Anti-Stimmung. Lust auf extrem, anders sein, nicht gewöhnlich. Äußert sich in Haare immer kürzer, krasse Farben gehen leider nicht wegen meines Berufes. Und ich hab Bock auf Totenkopf-T-Shirts in fiesen Farben. Mein armer Mann. Ich glaube, das streßt ihn etwas. Aber es fällt mir so schwer, angepasst zu sein.

Hier im Garten blüht inzwischen Johannes Rose. Wir haben sie letztes Jahr von einer ganz lieben (Tuscany *wink*) geschenkt bekommen. Ich hatte ihr überlassen, welche Rose sie uns schickt. Wunderschön von ihr assoziiert. So klein und zart wie Jo war. Die Farben so dezent wie sein Teint. So leicht duftig wie kleine Babies. Sie bereitet uns große Freude. Die einzelne Blüte duftet eigentlich gar nicht wirklich. Wenn ich auf die Terasse komme, ist er aber da, der Duft der ganzen Rose. Eben wie ein kleines Baby, so lieblich. Die Farben erst ganz zart apricot, wechseln bis ins Weiß. Wunderschön!

Kleine Wildbienen die schon länger in unserem Garten wohnen mögen sie sehr. 🙂

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Vor kurzem freute ich mich mal wieder über ein richtiges Löwen-Geschenk für den Löwen. Danke, liebe Dani! Die Idee war wundervoll. Sehr, sehr lieb!

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Danke für`s immer wieder bei uns Reinschauen!

Viele Grüße aus dem irgendwo und nirgendwo

die Löwenmama

Heute vor einem Jahr – die Diagnose

18. März 2012

Es ist genau ein Jahr her, das wir die Diagnose des kleinen Löwen erhielten. Es war ein Freitag, 14.00 Uhr, als mein Herz in tausende Stücke gerissen wurde.

Irgendwie hatte ich es schon geahnt. Der kleine Muck war noch von der Narkose der Lumbalpunktion in einem wirklich jämmerlichen Zustand. Solche Eingriffe steckte er wirklich richtig schlecht weg. Und auch der Mb Krabbe hatte schon ordentlich an ihm genagt, ihm ordentlich zugesetzt.

Irgendwie hatte ich es geahnt, das sowas blödes dabei rauskommen könnte, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und sie starb an diesem Nachmittag endgültig und mit der Diagnose auch ein Teil von mir, von uns allen. Voller Hoffnung gingen wir in diesen Termin, mit großen Bauchschmerzen, gewappnet für vieles. Aber dafür kann man sich nicht wappen. Das ist zu groß. Zu schmerzhaft. Zu schrecklich und pervers.

Ein Freitag Nachmittag für eine solche Diagnose. Der vermutlich denkbar schlechteste Zeitpunkt. Aber die Ärztin wählte diesen. Warum auch immer. Vielleicht dachte sie, der Zeitpunkt wäre gut. Weil vielleicht weniger los ist und mehr Ruhe herrscht. Vielleicht dachte sie aber auch nicht nach. Vielleicht hatte sie vorher keine Zeit? Vielleicht hatte sie keine Erfahrung?

Kein Groll, weil sie uns diese Diagnose mitteilen mußte. Nein. Sie hat in der Diagnostik einen guten Job gemacht. Sie konnte dem, was Johannes hat, endlich einen Namen geben und uns in gewisser Hinsicht erlösen. Zu wissen, was auf einen zukommt ist x mal besser, als nichts zu wissen und ertragen zu müssen, das der Ausgang völlig offen ist.

Aber wie uns das alles verklickert wurde, das ganze „drumrum“, das war wirklich krass und ist unentschuldbar. Wir empfanden (und empfinden immer noch) das als höchst unprofessionell. Mit dem Wissen heute können wir sagen, dass man das um viele Stufen hätte besser machen können. Wie man jemandem so etwas sagt, ist wirklich wichtig für die Seele. Mit unseren Seelen wurde nicht gut umgegangen.

In der Vergangenheit konnten wir mit verschiedenen Menschen sprechen und im Regelfall wird man nach so einer Diagnose aufgefangen. Wir wurden nicht aufgefangen.

Ich bin Polizeibeamtin und mußte schon oft Menschen mitteilen, dass das Liebste, der Partner, die Ehefrau oder gar das Kind ums Leben gekommen ist. Und ich konnte mich nie wesentlich darauf vorbereiten. Entweder hatte ich den Verkehrsunfall selbst aufgenommen oder ich wurde im Streifenwagen sitzend davon informiert, dass xy ums Leben gekommen ist und wir das bitte der Frau soundso mitteilen sollen. Hinfahren, klingeln, sagen. Keine nennenswerten Möglichkeiten, sich darauf vorzubereiten. Spontan. Und ich behaupte jetzt einfach mal, dass ich guten Gewissens sagen kann, dass ich niemals jemanden zurückgelassen habe, den ich durch mein unprofessionelles Auftreten zusätzlich traumatisiert habe. Egal ob es ein Glas Wasser war, das ich gebracht habe, einen lieben Menschen den man hat anrufen können um den Trauernden nicht allein zurück zu lassen, ob man einen Seelsorger oder ein Kriseninterventionsteam hinzugezogen hat. Diese Nachricht zu überbringen ist Teil meines Berufes, ich wurde dazu ausgebildet und den Rest muß man selbst mitbringen. Es ist richtig schlimm, jemanden so etwas zu sagen. Aber man kann es so tun, dass derjenige das Gefühl hat, er ist nicht allein. Er wird aufgefangen. Es wird ihm beigestanden. Da ist jemand da. „Ich kümmere mich um Dich!“

Als wir die Diagnose erhielten, war das nicht so. Ich hatte in der Zeit zwischen Lumbalpunktion und Diagnose schon um psychologische Unterstützung gebeten, weil es mir sehr schlecht ging. Es hieß, da würde sich „ganz schnell“ jemand bei mir melden. Es hat sich niemand gemeldet. Warum ich nicht selbst nochmal nachgefragt hatte? Ich hatte die Ressourcen nicht mehr.

Bei diesem Termin am 18. März 2011 um 14.00 Uhr baten wir wieder um psychologische Unterstützung. „Da ist jetzt aber keiner da!“, sagte uns die Ärztin.

„Wie kann es sein,“ fragte ich, „dass ich im Dienst zu jeder Tages- und Nachtzeit jemanden der irgendwelche Firlefanz-Probleme hat und ein bißchen austickt, vielleicht einen heftigen Krach mit seinem Partner hat und in diesem Moment psychologische Unterstützung braucht ins Klinikum auf die entsprechende Station bringen kann und demjenigen wird geholfen und jetzt sagen Sie mir, dass unser Kind stirbt und da ist niemand da?“.

„Am Freitag Nachmittag ist niemand da, Sie müssen irgendwie das Wochenende überstehen und am Montag können Sie xy erreichen!“. Sagte sie. Und ich fühlte mich so verloren.

Ich hatte einen Heulkrampf, ich wußte nicht mehr wie ich Luft bekommen soll. Wie ich den Löwen in meinem Arm halten soll, weil ich keine Kraft mehr spürte, hatte Angst, er kullert mir aus den Armen. Ich dachte, ich komm mit dem Schnaufen nicht mehr hinterher. Es war eine kalte, trostlose Situation.

Was ich auch als richtig schlimm empfand war, dass sie nicht meinetwegen gesagt hat: „Johannes hat eine so schwere Krankheit, dass wir ihm nicht mehr helfen können, er wird leider sterben.“ Und dann den Rest erklärte. Nein, das Gespräch baute sich mit einem Spannungsbogen auf. Sie erklärte die ganzen Untersuchungen und Ergebnisse, vom Anfang bis zum Schluß und das Resultat lag schon irgendwie in der Luft. Irgendwie schlimm und bedrohlich hörte sich alles an. Sie machte immer wieder Pausen und wir fanden uns in der Situation ständig „und jetzt?!?“ zu fragen, bis sie letzten Endes irgendwann sagte, das er mit dieser Krankheit nicht leben kann und sterben wird. Dieser Spannungsbogen war wirklich unerträglich.

Alles andere zu der Erkrankung erfuhren wir nur grob und auf Nachfrage. Die Krankheit selbst erklärte sie schon, also dass ein Enzym fehlt und das Myelin deswegen zugrunde geht, … Aber als Laie kann man sich nicht vorstellen, wo das letzten Endes hinführt, also was mit Johannes genau passieren wird, was für Baustellen zu erwarten sind. Hierzu erfuhren wir staccatoartige Eckpunkte: „wird blind, wird taub, wird steif, stirbt“. Dazu die Anmerkung, das wir sicher googeln würden und ein paar Internetadressen.

Irgendwann zu Hause haben wir gegoogelt. Ich landete als erstes bei Wikipedia und klickte alle hinterlegten Stichworte an. Als ich am Bild des Opisthotonus hängenblieb, war es aus. So sollte mein Baby irgendwann daliegen? Das ging einfach gar nicht und wir vereinbarten einen Termin mit unserem Kinderarzt, der uns alles sehr genau erklärte.

Bei dem Diagnose-Termin wurden wir auch direkt darauf hingewiesen, das wir ab jetzt Anspruch auf einen ambulanten Kinderkrankenpflegedienst hätten. Und ein Flyer des hiesigen Kinderhospizes wurde uns mitgegeben. Wir hätten uns gewünscht, das man uns das alles behutsamer nahelegt.

Wenn man voller Hoffnung in so einen Termin geht, auch wenn man was blödes ahnt, ist das alles zu viel. Man kann es nicht gut aufnehmen und verarbeiten, weil man so sehr geschockt ist, nur noch auf Notbetrieb funktioniert. Im Nachhinein frage ich mich, ob wir überhaupt fahrbereit waren. Zumindest schien es so, ein Taxi wurde uns mal nicht angeboten. Ich in meinem Job habe eine Garantenstellung und muß das hinterfragen.

Ein Rezept händigte sie uns noch aus. Für die Luminaletten. Ich hätte in diesem Zustand nicht in eine Apotheke gehen können, ein vermutlich nicht mal vorrätiges Medikament zu holen. Auch hier hätte es sicher Möglichkeiten gegeben. Und es gab eine. Nachdem ich ihr unmißverständlich klargemacht habe, dass wir jetzt in diesem Moment definitiv nicht dazu in der Lage sind eine Apotheke anzusteuern und sie hier im Haus eine Krankenhausapotheke haben, bzw. irgendwie es sicher eine Möglichkeit gibt, dieses Medikament zumindest für ein paar Tage für Johannes zu organisieren, verneinte sie erst und ging dann doch los und kam mit einer vollen Packung zurück.

Und so machten wir uns auf den Heimweg. Mit dem Wissen, wie der Feind heißt. Mit der Gewissheit, dass wir unser Baby nicht mehr lange haben werden. Das unser kleiner Johannes, für den wir alles getan hätten, sterben wird. Mit der Angst, wie wird das den Kindern, der ganzen Familie sagen. Mit der krassen Ungewissheit, was kommt auf uns zu? Das kann doch alles gar nicht wahr sein. DAS IST EIN ALBTRAUM!!! Freier Fall ohne Rettungsschirm.

Niemand hätte gedacht, das Johannes ein Jahr nach der Diagnose bereits fast ein halbes Jahr lang nicht mehr lebt.

Die Sonne scheint da draußen so ein bißchen scheinheilig vor sich hin und tut so, als könnte das ein toller Tag werden. Aber heut ist unsere Seele einfach zu sehr von Schatten verdeckt.

miss you…

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Herzliche Grüße – wütend und gleichzeitig traurig

die Löwenmama

Heute vor einem Jahr – Das Palindrom

11. Februar 2012

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Heute vor einem Jahr. Das Palindrom. Sogar fast perfekt – 11.02.2011 – 10.10 Uhr Hätten wir den Termin um 10.01 Uhr gehabt, wäre es so richtig perfekt gewesen, das Palindrom.

Aber es sollte gar nichts perfekt sein.

Heute vor einem Jahr hatten wir Hoffnung. Wir waren emotional schon so tief gefallen, hatten schon Gefühlsabgründe durchlebt. Schon so viele verzweifelte Tränen geweint. Schon so viele Horrorszenarien in Gedanken entwickelt und hoffnungsvoll verworfen, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. So viele Anker geworfen. So viel Positives gesehen, dass es gar nicht so schlimm kommen kann.

Heute vor einem Jahr war dieser mit größter Nervosität erwartete Termin im SPZ. Es war gefühlt so ein alles entscheidender Termin. Wie erwartet kamen wir genauso schlau wie vorher und einem Haufen Anschlußtermine wieder raus.

Mitgenommen haben wir uns damals, dass der Ultraschall vom Kopf gut war. Alles so, wie es sein soll, außer ein wenig vergrößerte, wassergefüllte Hohlräume, die vielleicht auch Einstein hatte. Und das er kognitiv normal entwickelt scheint und die motorische Eingeschränktheit ihn ganz massiv ärgert. Ob die Ärztin wohl schon die Streckspastiken als solche erkannt hatte?

Der kleine Löwe hatte sich so durchtbar aufgeregt, so viel geweint. Dass die Reflexe nicht auslösbar waren schoben wir darauf. Die ängstliche Frage, ob es wegen seines vielen Weinens sei, dass das Beinchen nicht nach oben schnellt, obwohl sie es immer und immer wieder versuchte, wurde mit „ja, wahrscheinlich“ beantwortet und wir schluckten es, dachten nicht mehr weiter darüber nach. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Das Positive aufnehmen und bewerten. Vielleicht ist das eine tolle Schutzfunktion unserer Seele. An das Gute glauben – denn die Hoffnung stirbt zuletzt.

Heute wissen wir, dass seine Schutzreflexe nicht mehr funktionierten, weil der Morbus Krabbe schon daran genagt hatte. Er konnte es nicht mehr. Das tut so weh. Aber ich bin froh, dass wir es damals nicht überbewertet haben. Die Zeit, bis wir fünf Wochen später die Diagnose hatten, war lang genug. Hat uns genug zermürbt. Der Morbus Krabbe hat auch an unserer Seele genagt. Und das nicht zu knapp.

Hätte man mir damals gesagt, dass der Löwe heute schon lang nicht mehr da ist… ich weiß nicht, was gewesen wäre. Ich hätte das nicht ertragen. Der Mensch ist schon ein komisches Ding. Man wächst offenbar wirklich in alles rein. Was für ein genialer und doch so fehlerhafter Einfall wie doch sind.

Heute vor einem Jahr. Was für ein Scheißtag!

Es grüßt euch

die Löwenmama

Wie stirbt man schön?

21. September 2011

Mal wieder „Willkommen“ in meiner verqueren Gedankenwelt!

Ich hab mir die Tage so meine Gedanken gemacht. Wenn man ein Baby bekommt, wenn man glücklich schwanger ist, kommen einem immer wieder Gefühle voller Ambivalenz hoch, Vorfreude, aber auch Angst. An manchen Tagen ist man ganz mutig, an manchen nicht. Da denkt man, man schafft das nicht. An manchen Tagen will man die Geburt einfach hinter sich bringen, an manchen kann es noch gut etwas dauern.

Man fragt sich ob die Geburt schwer wird, ob es schnell gehen wird, ob man auch ja lang genug das Baby im Bauch halten kann und es nicht zu früh kommt. Das es sich richtig im Bauch hindreht, dass die Geburt unkompliziert wird. Das es nach Möglichkeit kein Kaiserschnitt oder sonst ein operativer Eingriff wird. Das man es ohne Medikamente hinbekommt. Dass das Baby gesund auf die Welt kommt und man selbst natürlich auch möglichst so wenig verletzt wird wie möglich. Halt einfach, dass die Geburt schön wird.

Nun ist es bei uns irgendwie eine ganz ähnliche Situation, nur eben verkehrt herum. Ich bin auch oft ambivalent, habe Angst. An manchen Tagen bin ich ganz mutig, an manchen nicht. Da denke ich, ich schaff das nicht, wenn der Löwe stirbt. An manchen Tagen will ich es einfach hinter mich bringen, an manchen kann es noch gut etwas dauern.

Ich frage mich, wird der Tod schwer? Wird es schnell gehen oder wird es einfach nur schrecklich anzusehen sein? Halte ich das aus? Wie halte ich das aus? Ich frage mich, ob es plötzlich passiert, wenn wir nicht damit rechnen oder ob es sich zieht und man es irgendwann regelrecht herbeisehnt. Brauchen wir Medikamente oder nicht? Haben wir alles, was wir brauchen? Erreichen wir schnell genug unseren Arzt? Was ist, wenn nicht?

Ich frage mich, wie stirbt man schön?

Dem Löwen geht es nicht gut. Wir haben immer noch ein eklatantes Schleimproblem. Er kann kaum mehr husten, er hat keine Kraft mehr dazu. Es hört sich schrecklich an. Bei jedem Atemzug brodelt und rasselt er. Es ist kaum auszuhalten, ihn so zu hören. Wir inhalieren drei Mal täglich, wir haben ihn auf dem Ball, auf dem Arm, streichen zwischen den Rippen ab, versuchen irgendwie Schleim zu lösen. Saugen ab und streicheln ihm den Kopf, verwöhnen ihn mit Liebe. Er ist teilweise sehr blaß oder wird blau, wir unterstützen ihn mit Sauerstoff. Teilweise atmet er gut, oft aber flach oder schnauft „auf der Stelle“.

Jetzt kommt noch ein Mundsoor dazu, heut Vormittag hat die Dame vom Kinderkrankenpflegedienst erste Stippchen entdeckt. Heute Nachmittag war ich mir nicht sicher, ob Nahrung oder gelblicher Rotz aus der Nase läuft. Bekommt er jetzt auch noch einen Infekt? Am Ende eine Lungenentzündung? Geben wir dann Antibiotika oder nicht? Was wäre schlimmer? So weiter zu machen oder …?

Das ist alles sehr bitter. Wir haben den kleinen Kerl doch so lieb.

Danke für alle guten Gedanken, eure Wünsche und Grüße. Ich freue mich immer sehr darüber.

Grüße aus dem Tränenmeer

die Löwenmama

 

bitter

28. August 2011

Das Leben schmeckt gerade sehr bitter.

Gestern abend kam das mal wieder alles so hoch. Eine blöde Situation mit meinem Mädchen wo sie ihren Dickkopf durchsetzen wollte und ich Grenzen setzen mußte. Ein Kraftakt beiderseits. Eine Zerreissprobe für mich. Sie hat ihren Kopf auf. Aber manchmal kann man ihn nicht durchsetzen und das versteht sie noch nicht.

Aber ich habe es schon lange erkannt, dass alles was in der Familie gerade schief läuft, multikausal ist. Es hängt zusammen. Das ganze Umfeld krankt. Ich bin mir sicher, wäre alles gerade nicht so, wie es ist, wäre die Situation nie so zustande gekommen.

Ja, das Leben schmeckt gerade sehr bitter, habe ich eingangs geschrieben. Selten habe ich es so deutlich wie gestern abend geschmeckt und das Tränenmeer ausgiebigst bedient.

Ich wollte immer so eine tolle Mama sein. Ich war immer auf jedem Fußballspiel mit meinem Großen. Jetzt auf keinem mehr. Als er so alt war wie mein Mädchen, kannten wir alle Kinderlieder auswendig, kannten alle Klappen aus seinen geliebten Klappenbüchern, spielten wir Spiele. Mein Mädchen braucht Hilfe beim Rutsche raufklettern, was andere in ihrem Alter schon in Windeseile alleine machen. Sie steigt nicht alleine Treppe, obwohl sie es sicher schon lang könnte. Nein, nicht könnte, sie kann es. Aber wir sind es, die es ihr nicht zutrauen – aus Angst, dass sie runterfällt. Steintreppe. Gar nicht auszumalen, was passiert.Für alles andere bleibt kaum Zeit, nicht genug Gelegenheit.

Auf den Spielplatz zu gehen, da hatten wir bis jetzt nie die Gelegenheit. Ich konnte ja den Löwen nicht mitschleppen und auf einem Arm den Löwen und mit dem anderen sie auf der Rutsche begleiten mit einem Arm – nein, das ging nicht. Ich kann viel, aber ich stieß allzu oft an meine Grenze in der Vergangenheit.

All das, was ich jetzt mit meinen Kindern versäume, kann ich nicht mehr nachholen.

Mein Großer kam gestern aus dem Urlaub zurück. Er freute sich riesig, wieder zu Hause zu sein. Und wir freuten uns auch, dass er endlich wieder da ist. Am Abend hatte ich das Gefühl, er wäre am liebsten wieder weg. Das tut weh. Das tut so verdammt weh. Ich bin doch ein Muttertier, durch und durch. Zum Glück ergab sich gestern noch eine Situation, wo wir darüber reden konnten. Er ist was das aller hier gerade anbelangt sehr, sehr reif. Er hat sehr genaue Pläne von den letzten beiden Ferienwochen. Freibad, Freunde treffen, Fußballtraining, welches wieder in einer ganz neuen Mannschaft bereits vor einer Woche begonnen hat, wo er sich seinen Platz im Tor sichern mag, weil er da so gut ist und es ihm so gut gefällt und nun Konkurrenz droht. Er will jeden Tag etwas für die Schule tun, um einen guten Start zu haben – ich möchte ihn so gut es geht unterstützen und mir Exklusivzeit nur für ihn nehmen.

Wie wird das, wenn die Schule wieder losgeht? Alle starten ausgeruht von den Ferien frisch durch ins neue Schuljahr. Ich bin noch viel mehr im Arsch als vor ein paar Wochen. Dieses früh morgens Aufstehen zum Sondieren und jeden Tag noch so spät zu sondieren schlaucht mich. Ich konnte mich in den letzten Wochen nicht erholen.

Ich hab dieses System ja noch nicht ganz kapiert, aber offenbar  brauchen wir die höchste Pflegestufe, damit wir den Kinderkrankenpflegedienst stundenmäßig aufstocken können. Ist ja schon alles beantragt, der MDK war zwei Tage vor des Löwen Geburtstag da – ich bin gespannt, wann der Bescheid kommt. Wenn wir kein höheres Stundenkontingent für den Pflegedienst bekommen, weiß ich nicht, wie es weitergeht. Ja irgendwie ja schon, aber ich hab keinen Plan Vor allem nicht davon, wohin das führt.

Alles hat ja bekanntlich seinen Preis. Man hört ja immer mal wieder so blöde Sprüche, diese klassischen Weisheiten des Lebens. Da gibt es ja diesen „Im Leben ist nichts umsonst – außer der Tod“. Aber das stimmt nicht. Der Preis für den Tod ist in diesem Fall verdammt hoch.

Ich habe übrigens einige sehr wertvolle Gedanken zum Thema „Freunde – Kreislauf“ bekommen. Da waren einige Aspekte dabei, so hab ich das noch nie gesehen. Ich danke euch dafür. Ich würde gern jeder etwas mehr dazu schreiben, aber ich schaff es nicht. Das tut mir leid, aber es ist so. Hier liegt seit drei Tagen das Geschenk für meine liebe Mama und wartet auf Geschenkpapier. Ich schaff ja nicht mal das… ich wollte nur sagen, ich partizipiere sehr von euren Gedanken und sie gehen nicht ins Leere.

Es grüßt euch

die Löwenmama

 

Löwen-Schleim-Kampf und Alltags-Gedöns

30. Juni 2011

In den Löwen bring ich immer weniger Milch rein. 😦 Ich dachte, wenn wir die Magensonde haben, wird das wenigstens mit der Ernährung einfacher. Sonst konnte ich morgens sicher 120 – 135 ml sondieren, dann mittags nochmal 100 ml, nachmittags im Idealfall 100 ml und abends nochmal wie morgens. Teilweise ging sogar etwas mehr. Irgendwann hatten wir sogar fünf Mahlzeiten per Sonde.

Jetzt hat er morgens noch nen aufgeblähten Bauch vom Abend und ich bekam heute nur 80 ml in ihn rein und dann lief es oben schon wieder raus. Gestern waren es mittags und Nachmittag auch weniger als sonst und er hat vor jeder Mahlzeit noch ne richtige Kugel und ich weiß nie, was da dran Luft oder Restmengen von der vorherigen Mahlzeit sind, obwohl die schon viereinhalb bis fünf Stunden zurück liegt. Offenbar verdaut er langsamer? Ach Mensch. Alles blöd. 😦

Gestern war ich in Eile und konnte gar nicht mehr fertig schreiben.

Dem Löwen ging es mittags gar nicht so gut. Unsere Physio-Perle war da und hat ihm die Lunge abgerüttelt. Er hat zwar geschnorchelt, aber die Tage davor war es gar nicht sooo krass, fand zumindest ich als Laie. Wenn ich ihn am Ball hatte, kam kaum was rausgeblubbert und auch wenn ich ihn bäuchlings am Arm hatte, sabberte er zwar, aber kaum dieser typische Blubber-Schleim oder zähes Sekret.

Beim Abrütteln aber begann er schon wieder so zu „krampfen“ wie an dem Abend, als wir ins Klinikum sind mit ihm. 😦 Wenigstens wußte ich jetzt, dass es keine Krämpfe waren und kam gut damit klar. Immer und immer wieder lief er plötzlich dunkelrot fast lila an und er zog sich so zusammen und ich kann das gar nicht beschreiben. Vielleicht ist es ähnlich wie beim Niesen, nur viel heftiger und es sieht wirklich wie ein Krampf aus, ist aber keiner. Und dann kommt ein Batzen Schleim, meistens nicht zu klein und er quiekt oder schreit im Anschluß.

Als sie wieder weg war, hörte das gar nicht mehr auf und ich hatte Organisationsnot. Eigentlich sollte ich meinen Großen von der Schule holen, hatte Nachhilfe und da kann ihn mir keiner mitbringen von meinen Alltagsengeln. Aber so konnte ich mit dem Löwen auch nicht ins Auto. Ich hatte aber Glück. Mein Dad war auf dem Weg zur Baustelle und hat einen Stopp an der Schule eingelegt. Das war super. Ich war nämlich schon drauf und dran ne befreundete Mama oder ein Taxi zu mobilisieren. 😦 Mein armer Löwe. Im Lauf der nächsten Stunde gings aber wieder und er hat völlig erschöpft geschlafen.

Diese Nacht war er einmal wach und lag ne Weile auf meinem Bauch, und sonst hab ich ihn nur ein paar mal umgelagert. Die Nacht davor hat er gut geschlafen, eben auch nur ein paar Mal umlagern. Seitlich schläft er grad am besten, ich hab aber immer Angst, dass ihm was abklemmt und taub wird, wenn er so liegt. Ich mach mir seit ein paar Tagen Gedanken darüber, ob er sich wundliegen könnte (Dekubitus??) – an sowas hatte ich nie einen Gedanken verschwendet. Super, ich bin auch keine Krankenschwester. Natürlich hab ich ihn immer mal wieder umgelagert, damit er es bequem hat, aber seit ich darüber nachdenke, bin ich sehr angespannt.

Heute kommt das erste Mal jemand vom Kinderkrankenpflegedienst zu uns ins Haus und ich nehme mit dem Großen einen Termin wahr und bin direkt weg. Ich bin sehr gespannt darauf, wie das mit dem Pflegedienst wird. Ich finde es einerseits sehr merkwürdig, jeden Tag stundenweise wen im Haus zu haben und meinen Löwen von einer fremden Person versorgt zu wissen, mit allem Vertrauensvorschuß. Aber es wird auch eine große Entlastung sein für uns, denke ich. Für die Kinder, für die Familie – auch für mich.

Spannend ist allerdings auch, was das für ein Theater ist, bis man sowas genehmigt bekommt. So ganz sicher bin ich mir noch nicht, ob wir einen Teil selbst tragen müssen. Ich bin Beamtin und die Beihilfe hat mittels Einzelfallentscheidung dem Antrag entsprochen – Kulanz. Die Private schließt aus und dönst eineinhalb Seiten rum, das soll aber dennoch eine Zusage sein. Na dann. Nun wollen sie, obwohl alle gewünschten Formulare eingereicht, noch einen detailiierten Kostenvoranschlag und einen ausführlichen Befundbericht und Behandlungsplan des Kinderarztes. Eine neverending-Story. *nerv* Ich hab mir die Tage ernsthaft schon Gedanken darüber gemacht, ob wir elendige Sozialschmarotzer sind, die unangemessene Forderungen stellen. Das wollen wir gar nicht.

Uns wurde bei Verkündung der Diagnose am 18. März 2011 gesagt, dass wir ab jetzt Anspruch auf einen Kinderkrankenpflegedienst hätten und unser Kinderarzt den Bedarf feststellen wird, den wir beantragen können. Darauf haben wir momentan verzichtet, da der Löwe sich nicht fremdbetreuen lassen wollte. Er wollte ja nur in meinem Arm liegen, bei niemand anderem. Außerdem waren die Handgriffe ähnlich wie die bei einem gesunden Kind. Jetzt ist aber alles anders und wir brauchen dringend Hilfe. Ich bin im Arsch. Ich bin übers Limit hinaus. Und ich verstehe einfach nicht, wieso man mir diese bürokratischen Hürden vor die Nase stellt, wenn wir doch eigentlich den Anspruch haben??? Ich blick das nicht. Bin gespannt, wie das mit dem Pflegestufenantrag laufen wird bzw. mit der Anerkennung der Behinderung.

Hier ist alles grau und grau und es schifft was geht. Meine Eltern kommen nachher. Ich freue mich sehr, denn ich habe sie jetzt ein paar Tage nicht gesehen.

So, genug Gedöns von mir. Seid lieb gegrüßt, ihr da draußen…

ver-rückt

28. Juni 2011

Ich fühl mich heute wie etwas ver-rückt. Ich ertrage das hier eingesperrt sein nur schwer.

Ich bin so unendlich traurig. Weil –

irgendwann
ist der tag
da schleicht er sich an
vielleicht von hinten
ohne vorwarnung
und
nimmt dich mit

oder

er wird ganz sichtbar
und du bist
nicht ganz plötzlich
aber ohne
etwas
dagegen tun zu können
weg

nicht mehr da
einfach so
und ich kann
nichts
nichts
nichts
dagegen tun

vielleicht ist es
gut
so?

würde es nicht
um mein
KIND
gehen, sondern um
irgendwen
würde ich mir
anmassen
„es ist besser so“
zu sagen.

bei seinem eigenen
KIND
fällt das
zu
schwer.

ich liebe dich, kleiner löwe.

danke, dass du mit mir heute so fein unter dem apfelbaum gelegen hast. ich habe es aufgesogen in mir. ich glaube, du auch.

Fingerabdruckketten – der Löwe hinterläßt jetzt schon Spuren…

25. Juni 2011

Gestern wurde uns ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Wir haben einen wundervollen und ersehnten Schatz bekommen.

Ich habe vor ein paar Jahren in ein Forum mit vielen tollen Frauen gefunden und dort während der Schwangerschaft mit „gleich schwangeren“ Frauen in einem Thread geschrieben. 29 dieser Frauen hatten eine wunderschöne Idee. Sie schenkten uns Fingerabdruckketten mit den Abdrücken des Löwen.

Das war eine schwere Geburt. Das kann man so sagen. In diese Idee hatten wir uns sofort schrecklich verliebt. Der Gedanke, einen Fingerabdruck an einer Kette unser Leben lang nah an unserem Herzen zu tragen wurde so wichtig.

Die Firma, die die Ketten fertigt, ist in England. Es kamen Fingerabdrucksets und wir hatten schon die ganze Zeit ehe sie kamen Angst, dass es zu lang dauert und der Löwe nicht mehr bei uns ist. Es wurde zur fixen Idee, an die man sich viel zu sehr klammerte. Vielleicht läßt es sich schwer nachvollziehen, aber mir raubte es den Schlaf, dass die Fingerabdrucksets zu spät kommen könnten. Der Löwe begann zu diesem Zeitpunkt damit, beim Schlafen teils sehr lange Atemaussetzer zu haben.

Es kam der Tag, da waren die Fingerabdrucksets endlich da. Um die Fingerabdrücke zu nehmen, muß man Dentalabdruckmasse (zwei kleine Klumpen) zusammenkneten. Sobald beide Massen miteinander verbunden sind, härtet sie recht bald aus. Der Löwe schlief gerade so friedlich in meinem Arm, der Moment war perfekt. Ich knetete, legte die kleine Kugel bereit und nahm seinen Finger. Als ich gerade dabei war, seinen kleinen Finger in die weiche Masse zu drücken, begann er schrecklich zu schreien wie sonst nie. Ich sah natürlich sofort nach was los ist und ehe ich wenige Sekunden später wieder mit dem Finger an der Masse war, begann sie auszuhärten.

Mich ergriff blanke Panik. Ich begann zu heulen. Ich schwitzte. Vielleicht denkt ihr „meine Güte, die spinnt ja“, aber der Gedanke, das jetzt verkackt zu haben und diese Ketten nicht bekommen zu können war furchtbar für mich. Ich überlegte und nahm die zweite Masse, knetete sie zusammen, teilte sie, knetete die andere unentwegt weiter und machte rasch den einen, dann den anderen Abdruck, denn der Löwenpapa wollte einen anderen Finger. Ich dachte mir, seine Finger sind so klein, dann wird auch die halbe Masse ausreichen.

Ich kommunizierte per E-Mail und wir bekamen innerhalb weniger Tage nochmal Abdrucksetzs. Die als nächstes angefertigten Abdrücke waren aber nicht so schön. Die Hände des Löwen sind immer fest geschlossen und innen darum feucht, die Haut leicht aufgequollen oder wie soll ich sagen. Man bekommt die Hände nie richtig auf. Er hat von der ständigen Fäustchenhaltung bereits Querrillen an den Fingern. Sie sehen deswegen sicher etwas anders aus als die anderer Babies.

Die Abdrücke waren rasch in England. Wir versandten die ersten mit der halben Masse. Wir bekamen einen Brief, dass sie sie nicht verwenden können, die Abdrücke sind zu schwach ausgeprägt. Es lagen neue Abdrucksets dabei. Ich hab so geheult.

Wir warteten einen guten Moment und machten nun zum dritten Mal Abdrücke. Ich schrieb in meinem besten Schulenglisch (das ist ein Witz!) einen Brief dazu, beschrieb die Situation und warum wir keine besseren Abdrücke machen können und das sie -bitte- die Abdrücke einfach so machen, wie sie sind.

Wir warteten und warteten und rechneten auch damit, dass schlichtweg keine Fingerabdruck-Anhänger möglich sind. Gestern war es soweit. Der Postbote brachte ein dickes Kuvert aus England, ein Einwurfeinschreiben. Da konnte nur wertvolle Fracht drin sein. 😀

Ich hatte Tränen in den Augen. Diese Anhänger sind einfach nur wunder-, wunderschön. Und das beste – normalerweise werden die Abdrücke von dieser Firma 18 Monate aufbewahrt, stand in dem beiliegenden Begleitschreiben, aber die des Löwen haben sie uns mitgeschickt. So können wir sie aufbewahren und ggf. verwenden, falls ein Anhänger kaputt oder gar verloren geht. Ich bin sehr beruhigt. Ich fühlte mich gestern sehr friedlich damit.

Auch an dieser Stelle möchte ich, möchten wir, nochmal euch allen danken!

Wie oft hört man „ach, das Internet. Das ist nicht echt. Was willst Du denn damit?“ – Das ist nicht richtig. Ich habe vor allem in den letzten Monaten so viel wertvollen Input aus diesem Forum mit seinen wunderbaren Frauen bekommen. Und nicht nur virtuelle Worte. Es gab Zeiten während der Diagnostik, da bekam ich teils täglich, teils alle paar Tage Pakete, Päckchen, Briefe, Karten mit den liebenswertesten Sachen. Viele davon begleiten uns jeden Tag. Vielleicht fange ich mal an und mache davon Schnappschüsse und stelle sie hier ein…

Wo mein Umfeld im realen Leben versagte, ob aus Hilflosigkeit, aus Verdrängung, zu großer eigener Bestürztheit – diese Frauen waren da. Vielleicht hatten sie den Vorteil, dass sie überelgen konnten, ehe sie schrieben, dass sie reinklicken konnten bei mir, wenn sie just in dem Moment die Nerven, die Kraft dazu hatten. Wenn sie die Zeit und genug Ruhe dazu hatten. Das klappt im realen Leben nicht immer. Aber sie waren da.

Und wie so oft schrieben sie, dass sie für uns eine oder mehrere Kerzen angezündet haben. Wie oft war ich nachts wach und online und das waren Grüße von ihnen, dass sie an uns denken und uns eine schlafreiche Nacht wünschen. Ich habe selbst schon oft für jemanden eine Kerze angezündet. Wenn ich mir alle die Kerzen vorstelle, die man für uns da schon angezündet hat, muß es ein riesengroßes Lichtermeer sein. Es zaubert Gänsehaut. Danke, Mädels, dass ihr -uns- mir die Stange haltet.

Und auch ein großes Danke an die treuen Seelen aus meinem echten Leben, die nicht einfach so verschwunden sind. Das sind Menschen, mit denen ich im Vorfeld nicht den engsten Kontakt hatte. Wo man nicht jeden Tag, jeden zweiten oder dritten durchgeklingelt hat. Aber diese wenigen Menschen sind seit der Diagnostik schon für mich, für uns da. Ich hab auch jetzt nicht immer die Kraft, selbst den Hörer in die Hand zu nehmen, aber die schaffen das und rufen hier an. Alle paar Tage, jede Woche, alle 10 Tage. Das tut gut. Ihr alle seid meine, unsere Alltagsengel. Ich danke euch von Herzen. Ihr wißt nicht, wie gut das getan hat und immer noch tut. Einfach nur Danke. Es kommt der Tag, da kann ich es zurück geben und ich werde es von Herzen gerne tun.

Eure Löwenmama

Mein Löwenbaby hatte nie eine Chance

10. Juni 2011

Ach wir sind immer wieder wach. Der zähe Schleim ist fies für ihn, das Abhusten klappt immer schlechter.

Ich fühl mich heut zum aus der Haut fahren. Ich bin nicht wütend oder so, aber ich würd am liebsten raus aus meiner Haut. Aussteigen. Find bloß den Reißverschluß nicht.

Ich hab schiß. Ich frag mich immer wieder wie es wird, wenn der kleine Löwe stirbt. Ob er leidet, ob es schrecklich wird, ob er einfach irgendwann einschläft und nicht mehr aufwacht. Ob ich stark bin oder mich hilflos fühle. Es gibt Momente, da wär ich so stark, aber auch Momente wo ich mir denke, bitte nicht jetzt.

Unser Kinderarzt hat gestern Morphin angesprochen, wenn er sich arg quält. Für mich gefühlt zu früh. Das hat mich für den Moment völlig überfordert. Morphin! Nächste Woche ist er im Urlaub. Ich kann ihn zwar telefonisch erreichen, aber es ist immer ein blödes Gefühl, wenn er nicht so greifbar ist.

Ich hab schiß. Das fühlt sich blöd an. Es fühlt sich nach immer näher an. Total blödes Gefühl. Weiß nicht, wie ich meinen Gefühlen trauen kann. Aber es ist ja immer näher auch wenn keiner weiß, wann. Kann heute, morgen, in zwei Monaten, in einem viertel Jahr, … sein.

Eine ganz liebe schrieb mir an anderer Stelle irgendwann, dass ein Bekannter sagte „da wo die Angst ist, da gehts lang“. Mensch, wie das stimmt.

Ich muß weinen. Mein toller Löwe hatte nie eine Chance. Das tut mir so arg weh. Er hatte sie nie. Er kam auf die Welt und war chancenlos. Ich hoffe, das ich irgendwann so weit bin, ein kitschiges T-Shirt mit einem riesengroßen Bild von ihm drauf zu tragen, wo er lacht, wo es ihm noch gut ging. Ich würd es voller Stolz tragen. Viele würden sich denken, Himmel, wie peinlich ist die denn. Aber die wissen ja nicht, dass ich so stolz auf mein Löwenbaby bin. Das er ein ganz besonderer Löwe ist, dann war. Und er ist ein toller, kleiner Löwe. Ich fühl mich so hilflos.

Nimm Dir einfach, was Du brauchst, kleiner Kerl!

9. Juni 2011

Der Besuch unserer Hospizbegleiterin gestern war wieder sehr wertvolle Zeit, waren wertvolle Gedanken für mich. Mit ihr kann ich Sachen ungefiltert reden, die man nur weiß, wenn man ein Kind begraben hat. Es sind Gedanken zum Tod, zum Sterben, zum Danach, die man so mit sich herumträgt. Sie ist sehr offen. Ich glaube es gibt nichts, das ich sie nicht fragen darf und ich bekomme auf alles ausreichend Antwort. Es nimmt etwas die Angst und macht sicherer. Sicher wird man da wahrscheinlich nie. Weniger Angst macht stärker. Diese Stärke brauche ich.

Dem kleinen Löwen konnte ich das heute Nacht gut zurück geben. Die Nacht war wieder richtig blöd und irgendwann nahm ich ihn fest in den Arm und sagte zu ihm „Kleiner Kerl, nimm Dir einfach, was Du brauchst, das ist das einzige, was ich Dir mitgeben kann und wenn es für mich Nächte mit wenig Schlaf sind, weil Du nur auf meinem Bauch und Busen liegen magst, es ist OK.“. Ich werde noch viel Zeit zu schlafen haben.

Ich fühle mich schon seit ein paar Tagen wie ein Stück Treibholz im großen Meer. Ich laß mich grad treiben, laß es laufen, kann es doch nicht beeinflussen. Weder Dauer, noch Verlauf. Vielleicht leben wir noch Monate so, auch wenn ich es nicht glaube. Treiben lassen ist im Moment nicht unangenehm, hat was von loslassen. Aber irgendwann würd ich gern „Land sehen“. Ne einsame Insel fänd ich blöd. Ich würde gern wieder leben, also bitte anständiges Festland.

Der kleine Löwe hustet seit gestern anders. Der erste Huster ist kraftvoll und mit jedem weiteren schwächen die Hustenstöße ab, bis am Schluß der letzte nicht mehr kommen mag. Mein Baby wird noch flügellahmer. Ich fühle es.

Nachher bekomm ich wieder Besuch von einer lieben Bekannten. Aber es hat eine Hürde, sie hat ihr Baby sicher dabei. Ich hab mir aber vorgenommen, solchen Situationen nicht aus dem Weg zu gehen, weil ich mir sonst Hürden selbst baue, über die ich irgendwann drüber muß.

Ich hab mich gestern so wahnsinnig für meinen Großen gefreut, er hat eine selbst erarbeitete 3 in der Englisch-Schulaufgabe gehabt. Klar hat er die letzte Zeit Nachhilfe, aber ich hab mit ihm daheim nicht nennenswert geübt, sondern eher Aufgaben zur Selbstkontrolle gestellt. Das hat er sich so verdient, das muß Balsam für seine Seele sein. Die letzte Zeit läufts nämlich in der Schule nicht so gut.