Archive for Mai 2011

Auf Krawall gebürstet

31. Mai 2011

So, die Pflegedienstfrau war heute da. Sie hat sich unseren Bedarf angeschaut und tendiert jetzt mal zu drei Stunden/Tag. Sie nimmt Kontakt zum Kinderarzt auf und schaut, wie und was er verordent, muß begründet werden, gab bis jetzt wenig Probleme. Dann nimmt sie Kontakt mit der Beihilfe und der Versicherung auf und tritt in Verhandlung, wieviel die übernehmen werden. Gleichzeitig schaut sie, wie sie das in ihrem Dienstplan unterbringt.

Die Zeit, die wir bewilligt bekommen, können wir sehr individuell planen. Wir können sie täglich „aufbrauchen“, aber auch z.B. jeden zweiten Tag eine längere Zeit in Anspruch nehmen, natürlich auch in Einklang mit deren Dienstplan. Wir werden dann erstmal versuchen müssen das für uns rauszufinden, was wir brauchen.

Hier schiffts was geht. Paßt zu meiner Laune. Ich bin angepisst und nicht gesellschaftstauglich. Stelle ich gerade immer wieder fest. Ich bin bissig und galgenhumorig. Blöde Mischung, bin bemüht nicht zu sehr aufzulaufen, wenn ich Kontakt zur Außenwelt habe. Weil man kann grad mehr falsch als richtig machen. Halt einfach auf Krawall gebürstet.

Einkaufen empfinde ich als Spießrutenlauf. Wer mitleidig kuckt, riskiert verbales Gewitter. Mir wärs am liebsten, die Leute würden ganz normal kucken, wie wenn alles easy wäre. Ist aber etwas schwierig glaub ich. Ich sollte nicht zu viel verlangen. Aber nicht vor Mitleid zu zerfliessen wäre schonmal ganz angenehm. Auch diese pikierten Blicke gehen mir auf den Sack, wenn sie das Löwenbaby sehen. Sonst hat man eher diese Blicke „ooooh, ein Baby“ in die Autoschale eingefangen, wenn sie ihn dann mit der Sonde sehen, schauen sie gleich weg und mißachten einen. Ist etwas befremdlich für mich. Aber mir kann man es auch grad schwer recht machen.

Ich hab online geshoppt. Mir ist inzwischen alles zu groß, hab ja über 10 kg abgenommen, Bikinifigur – ich komme, Frühlingsrollen ade! Ich komm ja nicht in die Stadt – blöd. Ich hab zwei Teile bei Zalando bestellt. Ich hoff, es paßt, sonst muß ich bald nackt gehen.

Der kleine Löwe hat heut Vormittag fast komplett geschlafen, am Nachmittag nochmal über drei Stunden. Wahnsinn. Wenn er schläft, tut ihm nichts weh und er hustet nicht. Das tröstet mich etwas.

Wie es mir geht wurde gefragt. Kann ich nicht genau sagen. Im Arsch und nicht gesellschaftstauglich. Das ist nicht gut, nicht schlecht, sondern irgendwie zwischendrin.

Leben findet zur Zeit ohne mich statt.

29. Mai 2011

[konstruktiv modus]Das kleine Löwenbaby scheint sich wieder recht gut zu erholen, kein Fieber, verschleimt sein wird etwas besser und obwohl wir erst vorgestern mit dem Macrogol-Pulver zum Stuhl weicher bekommen angefangen haben, hat er gestern seit sehr langer Zeit endlich mal wieder „einfach so“ einen Stinker in der Hose. [/konstruktiv modus]

[destruktiv modus]Ich haße mein Leben. Ich haße mich. Das Leben muß mich hassen. Oder euer Gott. Entweder gibt es ihn und er haßt mich und bestraft mich für irgendwas oder es gibt ihn nicht und das Leben straft mich für irgendwas.

Das Leben nimmt mir nicht nur mein Baby weg, sondern hat mir mindestens zwei wertvolle Jahre meines Lebens geraubt. Es raubt mir, dieses Kind aufwachsen und ins Leben begleiten zu dürfen und verhindert, dass ich es mit meinen anderen Kindern auch tue. Ich sitz drin und klopf die Lunge ab und mein Mädchen jammert, weil sie mit mir hüpfen will. Nein, Mami kann nicht.

Ich hab heut vier Mal Lunge abgeklopft. Ich mußte ihn vorhin tief absaugen durch die Nase. Ich haße es, das zu tun. Es ist eklig für ihn, vielleicht tut es ihm weh und ich mag solche Sachen nicht bei ihm tun. Ich haße Absaugkatheter, dieses scheiß Absauggerät. Ich haße diese f**** Nasensonde. Ich will nicht irgendwas mit einer Spritze in den Magen meines Babies drücken. Außerdem muß ich grad fast jedes Mal mit dem Stethoskop den Sitz der Magensonde prüfen, weil ich keinen Mageninhalt hochziehen kann. Ich haße es. Ich will das nicht tun.

Ich bin gefangen in meinem scheiß Leben. Ich lebe gar nicht mehr. Ich sitz tagtäglich in diesem scheiß Haus. Maximal begleitet zum Einkaufen komm ich noch und das wars. Ach, Klinikum vergessen. Da darf ich sogar allein, ohne Begleitung, hin.

Ich stehe auf, um drauf zu warten, dass wieder abend ist. In der Zwischenzeit klopfe ich und klopfe ich und klopfe ich die Lunge ab, sondiere, sondiere und sondiere und hetz meinem Haushalt hinterher. In einer freien Minute geh ich pinkeln und spiele mit meinen Kindern und dann ist abend und am nächsten Tag findet so ein neuer Scheißtag statt. Und täglich grüßt das Murmeltier.

Das Leben findet zur Zeit ohne mich statt.[/destruktiv modus]

Sorry, mich kotzt grad alles ziemlich an. 😦

Aufwärts – der Löwe erholt sich

28. Mai 2011

Diese Nacht war etwas besser. Er war zwar immer mal kurz wach, aber schlief bald wieder. Man hört’s immer noch ordentlich knistern in seinen Bronchien, aber das wird evtl. auch nicht mehr weggehen. Heut hat er zum ersten mal wieder normale 1er-Nahrung bekommen und wir steigern wieder mit den Mengen. Er hatte jetzt immer nur Elektrolyte oder verdünnte 1er Nahrung und kleinere Mengen um ihn etwas zu entlasten.

Er schläft gerade in meinem Arm. Nachher vibrier ich wieder seine Lunge ab…

Es geht ihm wirklich besser, aber ob er sich davon richtig erholt, wissen wir nicht.

Dafür haben wir bald ein Sanitätslager. Wir bekommen alles immer in der Mindestabnahmemenge: 100 Ernährungssonden, 2x Absaugkatheter je 100 Stück in zwei verschiedenen Charier, noch eine Hand voll in einer dritten Charier, Großpackung Spritzen. …

Alle Hände voll zu tun.

27. Mai 2011

Update: richtig gut geht’s ihm nicht, die Nacht war durchwachsen, aber wir mußten seit gestern nicht mehr absaugen. Ich hab aber alle Hände voll zu tun. Tragen, öfter aber weniger sondieren, Lunge abklopfen, beim Husten unterstützen. Wenn man die Beinchen etwas anwinkelt und den Brustkorb hinten und vorne etwas stützt, tut er sich deutlich leichter…

…wieder daheim vom Klinikum…

26. Mai 2011

Kein Schlaf bis jetzt. Zuerst dauernd Alarme, Sättigung. Dann Schleim, absaugen, Schleim, absaugen… So geht das schon die ganze Zeit. 😦

Ich bin nur noch müde.


06.02 Uhr: Ja, hoffentlich können wir heim. Kommt drauf an, wie es nachher ist, wenn er wach ist.

Richtig geschlafen ghb ich nicht. Vorhin ist er gegen 4.45 h eingeschlafen und ich hab mit ihm im Arm gedöst.

09.59 Uhr: Wir haben vorhin die Magensonde gezogen und seitdem geht es ihm deutlich besser und er schläft. Gegen Mittag versuchen wir nochmals eine zu legen. Kann sein, dass durch das viele husten der Reiz durch die Sonde noch größer war. Drückt uns die Daumen, dass er die Sonde wieder gut toleriert. Wenn füttern über die Sonde klappt, dürfen wie heute noch heim.

Ich hau mich jetzt ne runde aufs Ohr.

16.07 Uhr: Wir sind daheim, der Löwe ist zwar alles andere als fit, aber wenn wir nicht zurecht kommen, sollen wir wieder kommen. Wann anders mehr…

Klinikum

25. Mai 2011

Ich bin mit dem kleinen Löwen im Klinikum. Er hat immer öfter wie gekrampft, wobei es auch sein kann, dass er den Schleim nicht mehr losgeworden ist und deswegen sowas wie gekrampft hat, weil es mit dem Abhusten nicht mehr gut klappt. Also das es keine richtigen Krämpfe waren, aber es so ausgesehen hat. Blöd zu erklären, Diazepam hat er auch bekommen, aber gleich wieder rausgekackt.

Er wurde abgesaugt und hängt jetzt an der Infusion, aber nur Flüssigkeit. Entzündungswerte sind gut.

Morgen will ich wieder heim!

„Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte!“

24. Mai 2011

Ich bin nun für mich so weit, dass ich ihm abends ne Kerze anzünde, damit er seinen Weg findet. Krank, oder? Ich halte das gerade nicht mehr aus. Würde er einfach einschlafen, wäre es das eine. Das, was gerade ist, ist das andere.

Ich hab Angst vor den Momenten, wo er schreit, leidet, krampft, ich nicht einschätzen kann, was schon wieder ist und völlig überfordert bin. Wir haben saublöde Nächte.

Es fühlt sich für mich inzwischen gut an, ihn mit Luminal „vollzuknallen“ (das zieht ihm schon ziemlich den Stecker), weil er dann schläft und die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass er nicht wieder losschreit. Das hört sich unmenschlich an zum Teil.

Ich wünsche meinem Löwenkind, dass es ganz friedlich einschläft. Meine Grenzen an Erträglichem sind völlig überschritten. Ich kann dieses Taktile, ihn fühlen, wenn er in meinem Arm hustet, krampft, nicht mehr aushalten. Limit. Es geht nicht mehr. Ich bin bereit dazu, dass er geht. Ob er bereit ist, weiß ich nicht. Ich red ihm gut zu.

Sein Schutzengel ist schon oft hier, er schaut oft plötzlich mit ganz offenen Augen hin und her und nach oben. Auch in dunkle Ecken. Sonst schaut er ja nur noch dahin, wo es ganz hell ist. Kinder können Engel sehen. Er muß jetzt nur noch die Hand nehmen. Aber vielleicht streckt sie ihm sein Schutzengel noch nicht entgegen.
Max Liebermann ist für mich heute mein persönlicher Held. Der Mann hat es erfasst.

„Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte!“

Wie recht er hat!

alles wird schwieriger…

22. Mai 2011

Hier ist gerade alles etwas schwierig… wir hatten die dritte Nacht in Folge, wo er wirklich lange wach war und viel gehustet hat. Das ist kein normales Husten, er fängt an und bleibt im Husten hängen und wird immer lauter, bis es ein schreckliches Schreien ist.

Er hat nicht mehr genug Kraft dazu und versucht irgendwie Schleim aus seinen Bronchien zu bekommen. Ich bin nur noch am Abklopfen und Absaugen, aber es bringt nicht viel. Letzte Nacht war ich fast eine Stunde mit Hilfe des Löwenpapas damit beschäftigt, seinen Darm leer zu bekommen. Er konnte schon seit Tagen keinen oder nur sehr kleine Mengen Stuhl absetzen. Ich habe täglich klistiert, auch mit Öl, aber da kam nix. Sein Bauch war zwar gebläht, aber nicht richtig hart. Letzte Nacht aber war deutlich eine ganze „Kette“ in seinem Darm tastbar und ich habe klistiert und klistiert und nach und nach kam das alles raus.

Es wird grad alles immer schrecklicher. Als er nur schlief, war das irgendwie so gnädig. Aber jetzt wird er immer lauter und kämpft. Wir sind inzwischen an dem Punkt, wo wir ihm wünschen und ihn auch bitten, dass er mit seinem Schutzengelchen geht. Der Weg wird langsam steinig.

Morgen werde ich mal den Kinderarzt kontakten, ob wir evtl. Movicol zum Abführen mit ins Fläschchen geben. Seit 20.30 Uhr sitz ich nun hier und fütter ihm seine Milch über die Sonde. Da wir aber wieder eine Klistier-Wickel-Unterbrechungsaktion hatten, gehts jetzt erst weiter und wir haben noch nichtmal die Hälfte. Ich bin müde und heut Nacht wird wahrscheinlich wieder schwierig, wie die letzten auch. Es nimmt zu, auch tags.

Sonde selbst legen – mehr geschwitzt als bei der Führerscheinprüfung

20. Mai 2011

Das Sonde legen hat gut geklappt. Ich war zwar hyper nervös, aber war nicht schwer. Ich darf das jetzt alleine machen. Ob ich will ist ne andere Frage…

Heut Nacht hat der kleine Kerl gekämpft. Speichel, Sekret vom Schleim abhusten, irgendwas war ständig unterwegs und er konnte es nicht gut loswerden. Eineinhalb Stunden ging das so und ich war mir nicht sicher, was daraus wird. 😦

Er schläft gerade in der Wippe, mein Mädchen stillt. Sehr innig und friedlich gerade.

Hospiz, Kinderkrankenpflegedienst, …

19. Mai 2011

Ob jetzt Zeit für ne Auszeit im Hospiz wäre, überlege ich immer wieder. Mein Großer will nicht, ich müßte bei dem kleinen Löwen schlafen (unten) und der Löwenpapa mit unseren beiden Großen oben im Elternbereich. Mein Mädchen stillt aber nachts noch oft und will bei mir sein.

Unten im Kinderzimmer fürs kranke Kind mit dem Löwen und meinem Mädchen stell ich mir auch blöd vor. Irgendwie geht es auf Lasten der Kinder und der Löwe läßt sich nicht gut fremdbetreuen. Ich seh irgendwie nicht so gut den Nutzen für uns. Wir könnten nur außerhalb der Ferien, weil die auf lange Sicht gerade in den Ferien total ausgebucht sind. Der Große könnte von dort mit einem anderen Bus zur Schule fahren, aber er will einfach nicht dorthin. Ob der Monsieur sich eine ganze Woche freimachen könnte ist fraglich. Klar, wenns klemmt ja. Hab auch schon überlegt, ob ich alleine mit den Kindern eine Woche dorthin gehe, ist ja nur gut 5 Minuten von hier. Aber was mach ich dann wieder mit meinem Mädchen nachts. Irgendwie haben wir glaub ich daheim mehr Struktur. Ich fände es für uns gerade hilfreicher, würden wir von außen professionelle Unterstützung bekommen, wie von einem Kinderkrankenpflegedienst zum Beispiel.

Da bin ich grad dran zu erkunden, ob es noch mehr davon hier vor Ort gibt. Die sind halt doch sehr handverlesen, da „Spezialdienst“ und alte und kranke große Menschen gibts halt viel mehr, als schwerkranke Kinder, die Pflegebedarf haben und deswegen sind speziell diese Dienst nicht so häufig vorhanden.

20.11 Uhr: Alle Kinder schlafen heute schon. Ich staune vor allem über mein Mädchen. Das Löwenbaby bekommt grad den Rest seiner Milch. Mit der Sonde füttern dauert länger. Gut, ich kann zwischendrin was machen, Kleinigkeiten erledigen, aber das würfelt mir den ganzen Fütter-Zeitplan durcheinander. Im Klinikum sagten sie immer 5 ml laaangsam reindrücken, kurze Pause und nach einer 20 ml-Spritze eine etwas längere kurze Pause machen. Wenn er dann so „vollgetankt“ ist, trau ich mich gar nicht mehr, ihn richtig hochzuheben.

Bei uns gewitterts langsam. Ich mag das. Ich werd jetzt auch ziemlich bald ins Bett abdampfen. Wollte gestern schon „früh“ schlafen gehen und mein Mädchen ist erst gegen 22.00 Uhr eingeschlafen.

Heute haben wir sie müdegehüpft. Wir waren wieder alle draußen am Trampolin, der Löwe daneben in der Wippe. Wir haben viel gelacht, ich dachte mir, vielleicht hört er uns und freut sich. Ich denk mir oft, er findet es blöd, wenn ich ständig heule.

So, ich verabschiede mich…