Ich bin gestern im Regen spazieren gegangen. Als ich loslief, regnete es noch nicht. Wie im echten Leben. Es schlägt sehr plötzlich um. Zuerst ist es ganz ok, dann wird es auf einmal kalt und ungemütlich. Aber ich ließ es zu, es fühlte sich lebendig an.
Beim Laufen dachte ich darüber nach, wie erwachsen ich gerade gemacht werde. Vielleicht erwachsener als ich je werden wollte. Ich schmecke den Tod.
Vor einer Weile hat mir eine ganz liebe ein paar mich sehr beeindruckende Zeilen geschrieben:
„Die Welt stürzt in Scherben und es ist nie mehr, wie es vorher war,
aber anders kann es auch gut werden. Vielleicht kannst du bald das kleine Licht am Horizont sehen.In solchen Zeiten sind wir im Niemandsland, es gibt keine Wege, vieles scheint öd und unbewachsen unbewohnt.
Wir sind so schrecklich alleine dort, so nackt und verwundbar.
Wir werden vom Leben abgeschliffen, es fühlt sich an, wie bis aufs Skelett.“
Das trifft es ins Mark. Exakt so fühle ich mich schon lange.
Ich lief also diesen Weg oben auf dem Bild hinunter. Zuerst war es sehr naß und schmierig. Dann wurde er sehr steinig. Dann blieb eine Fahrrinne steinig und etwas unwegsam, die andere wurde sandiger und gut begehbar. Ich war schon drauf und dran die Fahrrinne zu wechseln und entschied mich doch noch, weiter die steinige zu laufen. Mein Weg ist gerade steinig. Den Lebensweg kann ich auch nicht einfach verlassen. Warum sollte er dann nicht sinnbildlich auch steinig bleiben?
Ich lief und lief und paßte gut auf, dass ich nicht strauchelte, stolperte. Manchmal war es doch etwas schwierig nicht umzuknicken. Aber ich stellte fest, da ich gemütlich lief und auch die sandige Rinne nicht schneller bestritten hätte, dass ich kaum langsamer vorankomme. Nur bedächtiger. Und als ich unten war, kam mir etwas in den Sinn. Ich ging jetzt diesen steinigen Weg, ich sah kaum nach rechts und links, denn ich mußte mich darauf konzentrieren, nicht zu stolpern und ich kam unten an und es war auch schön. Das heißt, wenn ich diesen Lebensweg bestritten habe, diesen Weg hinter mir liegen habe, kann es dort angekommen auch schön sein.
Es muß nicht schöner oder schlechter sein, als wenn der Weg leicht ist, das Ziel bekannt, das Ziel unbekannt. Es ist egal. Es kann auch schön sein, egal wie man es erreicht, wie man dort hinkommt, egal was hinter einem liegt. Es muß einem aber gelingen, wenn man angekommen ist, nach rechts und links zu blicken, sich Zeit nehmen, vielleicht dort angekommen rasten. Das möchte ich auch tun.
Diesen Stein fand ich gestern, ehe ich diesen Weg lief. Ich nahm ihn mit.
Ich hab am Samstag eine Bleistiftzeichnung bekommen. Dieses Bild begleitet mich gedanklich auch gerade sehr. Es stellt einen Baum dar, der mit seiner Rinde in einen Maschendrahtzaun gewachsen ist. Ich habe hier ganz in der Nähe solche Bäume schon gesehen. Ich weiß aber nicht, ob sie noch stehen. Wenn ja, möchte ich ein Bild davon machen. Es ist so treffend. Über lange Zeit muß diese Verwachsung stattgefunden haben. Keine offene Verletzung, aber viele Narben, Spuren in der Rinde hat es dennoch hinterlassen. Ich fühle mich sehr ähnlich.
Danke fürs Zulesen. Danke auch für eure Kommentare, für E-Mails. Für Kerzen. Es beeindruckt mich sehr, wieviele Menschen an uns und unseren Löwen denken. Vielen Dank dafür.
Eure Löwenmama