Archive for Mai 2012

Impressionen am Kindergrab

26. Mai 2012

„Viele, viele bunte Smarties Blumen.“

Das genau war gestern meine Assoziation, als ich durch den Gartencenter schlappte und mal wieder Blumen für des Löwen Spielwiese aussuchte. Es sollte bunt, verspielt und kindlich sein. Nichts von diesem symmetrischen Erwachsenenkram. Ein alter Mann kam zu Johannes Grab gelaufen als ich fast fertig war und sagte, ich hätte es wirklich schön gemacht. Das hat mich auf eine seltsame Art gefreut und berührt.

Also, wer mag: Impressionen an einem Baby-Grab…

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Glockenblümchen als Engels-Versteck. Sie waren viel mehr zart lila, nicht so blau wie auf dem Bild.

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Huch, da hat sich eine Giraffe zwischen den kunterbunten kleinen, bunten Smarties Portulak-Röschen versteckt.

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Mit diesem Dachboden-Fund würde er jetzt sicher sehr gerne spielen, wenn…

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Bunter Island-Mohn könnte fast als Löwenmähne durchgehen von der Form her…

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Und immer noch alle Steine und Schneckenhäuser – Johannes, wir vermissen Dich so unendlich sehr.

Was Würdest Du wohl jetzt machen, kleiner Mann? Du wärst jetzt 21 Monate alt. Würdest durch den Garten rennen und ich hätte abends große Mühe, Dich und Deine Schwester ins Bett zu bekommen. Würdest alle Bauwerke unter großem Protest Deiner Geschwister gekonnt zerstören, erste Hüpfversuche auf dem Trampolin wagen und alle Herzen brechen, denn Du hattest einen ganz besonderen Charme mit Deinen karamellbraunen Haaren und so besonders blauen Augen. (Wenn sie nicht einfach aufgehört haben ihre Farbe zu wechseln, als Du aufgehört hast Dich weiter zu entwickeln, zu wachsen, Zähne zu bekommen…)

Unser Leben ist zur Zeit ein Mitgehen mit dem Terminkalender. Der Bau unseres Hauses erfordert viele, viele Termine. Der Löwenpapa schreibt zwischen den Terminen seine Masterarbeit. Ich hechte von Dienst zu Dienst, das bringt zusätzlich Streß. Aber für mich war es richtig, wichtig und gut wieder ins Berufsleben einzusteigen. Ich merke auch erst jetzt, dass ich im Johannes-Jahr Selbstvertrauen eingebüßt habe. Das kommt wieder. Das ist gut so.

Aber weil alles zur Zeit so hektisch und voll ist, bleibt wenig Zeit für einen selbst. Das kann in der Trauer auch mal ganz gut sein, wenig Zeit zu haben, einfach nur mit allen Terminen mitzugehen. Aber es ist echt anstrengend. Es wird aber auch wieder anders.

Das ist sicher auch der Grund, wieso ich hier gerade weniger schreibe. A) fehlt mir die Zeit und b) interessiert es hier vermutlich niemanden, dass wir Türen und Drückergarnituren, Holzböden und eine Küche ausgesucht haben und wie es in der Arbeit war. Wobei – das wäre Stoff für ein eigenes Blog. Ein mal zur Abwechslung lustiges. 😉

Meine Trauer ist zur Zeit mal gar nicht, mal voll da. An einem anderen Tag begleitet mich Johannes einfach ständig. Das fühlt sich dann gut an. Es wechselt täglich. Ist nicht immer einfach. Aber das hat ja auch niemand behauptet, das es einfach ist.

In der Arbeit gibt es Johannes nicht. Das ist einerseits gut, weil ich ich sein darf. Andererseits ist es beklemmend, wenn ich Johannes erwähne, weil es ihn eben nicht gibt, er es übergangen wird und das Gespräch abbricht oder das Thema gewechselt wird. Auch wenn meine engsten Kollegen von Johannes wissen. Das ist ganz klar der Hilflosigkeit geschuldet, wie damit umzugehen.

In der Arbeit findet sich oft die Löwenmama mit der Maske. Wo es blubbert, sprudelt und lacht. Ich eigentlich gar nicht ich bin, oder irgendwie auch wieder doch. Es ist locker leicht, aber leider auch oft anstrengend. Irgendwie bin ich da jemand anderes. Dort sind nur Anteile von mir. Die anderen Anteile haben dort keinen Raum.

Ich habe momentan immer öfter das Gefühl, ich würde gerne ein gutes Gespräch über Johannes und diese Zeit führen können. Aber immer in dem Moment mangelt es an einem geeigneten Gesprächspartner. Die gibt es ja nicht in Überzahl. *doofgrins* Ich habe Redebedarf. Weiß aber gar nicht so recht, warum. Wo einsteigen. Ist das Aufarbeitung? Eigentlich gibt es nichts zu reden, es ist, wie es ist. Aber es war schon enorm viel, was da in diesem Jahr auf uns eingeprasselt ist.

Manchmal möchte ich einfach nur weinen. Ganz wortlos. Manchmal tu ich es auch. Manchmal geht es aber nicht. Falsche Zeit, falscher Ort. Und auf dem Weg zur Arbeit schaut das einfach scheiße aus, wenn man mit frisch verschmierter Kriegsbemalung antanzt. Also brav Tränen runterschlucken, über die Fingerabdruckkette streichen und fertig.

Johannes Geburtstag beschäftigt mich jetzt schon gedanklich sehr. Was mache ich an diesem 14. August? Der Löwenpapa ist nicht da, an seinem Studienort, hat aber schon eine Idee für sich. Ich hab noch keine. Wollte zuerst Kaffee trinken und ein bißchen feiern mit der Familie. Ich denke aber eher, dass ich mit den Kindern einen Ausflug machen werde. Vielleicht in die Berge? Uns wird sicher etwas einfallen. Aber feiern möchte ich nicht. Es wird aber wieder ein Sommerfest geben. Nicht an diesem Tag. An irgendeinem. Für Johannes. Jedes Jahr. Mit bunten Luftballons… eben wie viele, viele bunte Smarties.

Es grüßt euch herzlich

die Löwenmama

Muttertag am Grab

13. Mai 2012

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Es gibt keine Worte dafür was heute in mir vorging, als ich an Johannes Grab stand und weinte.

 

Es grüßt

die Löwenmama

 

Amputierte Mamaliebe

7. Mai 2012

Seit Tagen verspüre ich es – so ein großes Verlangen nach Babyduft. Nach kleinen weichen Füßchen und nach Patschehändchen. Nach so schmusigen Babybacken und duftigem, fusseligem Haar. Ein kleines Köpfchen, das an der Fontanelle so herrlich duftet.

Ich dachte, ich habe Kinderwunsch. Aber mir wurde klar, nicht nach irgendeinem Baby.

Ich will nur Johannes.

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Johannes ganz frisch geschlüpft im ersten tiefen Schlaf. Willkommen auf der Welt, kleiner Mann!

 

Ich hatte doch diese Patschehändchen – auch wen sie nie gepatscht haben. Hatte diesen Wunsch, wir beide, der Löwenpapa und ich. Haben alles auf uns genommen. 10 lange Mondmonate lang wuchs er unter meinem Herzen. Dann die Schmerzen der Geburt. Alles egal. Der Duft dieser kleinen, weichen Haut, das Bestaunen eines so kleinen, wunderbaren Wesens. Mit den Lippen ganz sanft diese schmusige Kuhle an seiner Nasenwurzel küssen. Das nicht mehr zu haben, obwohl man es hatte, alles dafür getan hat. Alles dafür getan hätte, was man nicht mehr tun konnte. Das ist amputierte Mamaliebe.

Ich würde sehr gerne irgendwann nochmal so ein kleines Wunder erleben dürfen. Aber ich bin noch nicht frei dafür. Und ich weiß nicht, ob ich es jemals werde. Frei zu sein für dieses „irgendeine Baby“, das nicht Johannes sein wird. Und ich weiß nicht, ob ich den Mut aufbringen würde.

Wie hoch ist der Preis für so eine Schwangerschaft? Es könnte wieder krank sein. Dann würde ich es nicht bekommen. Das ist eins, was ganz sicher ist. Davon würde ich mich auch von niemandem verurteilen lassen. Denn die, die den Finger ausstrecken würden, hätten es nicht erlebt. Es könnte auch alles gut gehen. Aber es wären so viele Wochen, bis man etwas wüßte. Viele, viele Wochen. Das muß man auch er-tragen können. Es würde mich ver-rückt machen. Ver-rückt vor Angst. Könnte mich nicht daran freuen. Schwanger auf Probe. Oder doch einfach nen Haken drunter machen? Es aus dem Kopf schlagen? Da steht das Mamaherz wieder im Weg.

Was ist richtig? Was ist falsch? Ich weiß nur, dass sich grad vieles falsch anfühlt. Vor allem amputierte Mamaliebe.

Es grüßt euch

die Löwenmama