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Johannes 2. Geburtstag – der erste ohne ihn

14. August 2012

Heute ist Johannes 2. Geburtstag.

Happy Birthday, kleiner Löwe!

Ich muß sagen, ich hab Tag für Tag mehr Muffensausen bekommen. Schon vor längerer Zeit haben wir uns darüber Gedanken gemacht, wie wir diesen Tag gestalten wollen. Arbeiten gehen kam nicht in Frage. Freizeitpark oder irgendetwas lustiges, lebendiges war die erste Idee. Wir verwarfen aber diesen Gedanken wieder und wollten in die Berge – wie nach Johannes Tod. Das lag uns am nähesten.

Mein Bestreben war es aber inzwischen nur noch, den Tag zu überleben. Ich wollte, das es ein schöner Tag wird und es war mir wichtig, das ich für Johannes etwas mache. Aber ich wollte auch, dass er einfach nur vorbei geht.

Trotz allem, ganz wichtig war mir, das es ein Geschenk gibt, das der Löwenpapa und ich schon vor einer ganzen Weile gekauft hatten. Vorgestern packte ich es ein und es war ein wirklich dummes Gefühl, ein Geschenk für ein Sternenkind einzupacken.

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Und dann sollte es einen Geburtstagskuchen geben. Ich habe mir ein paar Tage davor schon Gedanken gemacht, was ich für einen Kuchen backen könnte. Geburtstagskuchen für ein Kind sind immer etwas sehr besonderes. Sie dienen ja nicht nur dazu die Feiernden satt zu machen, sondern sollen Kinderaugen zum Strahlen bringen. Dieser Kuchen sollte keine Kinderaugen zum Strahlen bringen… Was für ein scheiß Gefühl. Tränenmeer.

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Ich hatte die Tage davor meinem Mädchen eine Geschichte von „Frederick und seinen Mäusefreunden“ vorgelesen. In der ersten Geschichte geht es darum, dass Frederick und seine Mäusefreunde sich auf den kalten Winter vorbereiten und Getreide, Nüsse und Stroh sammeln und alles in ihren Unterschlupf in der Steinmauer bringen. Alle arbeiten, mühen sich ab und plagen sich um für den Winter vorzuarbeiten, nur Frederick scheinbar nicht. Die anderen Mäuse sind irgendwann recht vorwurfsvoll, denn wenn sie Frederick fragen was er macht weil er nur rumliegt, antwortet er, dass er sammelt. Worte, Sonnenstrahlen, Farben, … Die Mäuse konnten damit nichts anfangen und ärgerten sich über die vermeintliche Faulheit von Frederick. Der Winter kam, die Mäuse hatten sich gut versorgt und es war eigentlich recht gemütlich in der Steinmauer. Die Mäuse hatten es kuschlig und genug zu essen. Das sollte aber nicht immer so sein und als irgendwann eine ganz karge Zeit eintrat, wo es nicht mehr kuschlig war, das letzte Korn geknabbert war und es nichts mehr zu reden gab fiel den Mäusen ein, dass sie ja noch Fredericks „Vorräte“ hatten. Sie fragten ihn also, was mit seinen Vorräten sei und Frederick forderte sie auf, die Augen zu schließen. Er erzählte den Mäusen von den roten Mohnblumen, den blauen Kornblumen, erzählte ihnen von der wärmenden Sonne und dichtete. Die Mäuse lobten Frederick kräftig, diese „Vorräte“ hatten sie gerne.

Diese Geschichte erinnerte mich daran, dass wir in der Trauer wortlos sind, die Sonne nicht immer gut spüren können und die Welt seit Johannes Tod weniger bunt ist. Ich wollte heute das „bunt“ sammeln und ganz bewußt beachten, die Sonne tanken und Worte sammeln. Hier sind unsere bunten Schätze:

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Frederick sollte uns begleiten, den hatte ich für Johannes gebastelt:

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Die Wanderung war sehr schön, auch wenn etwas ungeplant chaotisch. Wir hatten die Route als leichte, familienfreundliche Tour herausgesucht, Anforderungsprofil wenig Kondition. Und wir liefen über Stock und Stein, rauf und runter und mußten am Ende umkehren, da wir den Weg mit unserer Kleinen nicht bewältigen konnten. Aber es war irgendwie wie im richtigen Leben. Man hat eine Vorstellung, plant etwas und am Ende läuft es ganz anders. Es war egal. Die Strecke sah auf dem Rückweg von der anderen Seite gleich nochmal ganz anders aus und war trotzdem sehr schön. Eine schöne Wanderung. Gut überlebt. Wir hatten wirklich schon andere Probleme als eine ungeplant verlaufende Wanderung und eine Kehrtwende zu machen.

Ein paar Momente versuchte ich einzufangen…

Licht und Schatten…

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Glockenblumen…

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Dem Himmel so nah…

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Diese Puschel waren so weich – sie hätten ihm sicher gut gefallen…

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Die Farbe erinnerte mich an die Farbe seiner Löwenmähne…

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Ganz weit oben – nochmal dem Himmel so nah…

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Diese Zartheit. Diese Frische. Diese Reinheit, dieses schützenden Frauenmantels! Wow.

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Nach der Wanderung stärkten wir uns zu Hause erstmal beim Löwen-Kuchen.

Abends führte uns unser Weg zum Friedhof. Es lag hier immer noch ein Geschenk. Ein Korb voller Kerzen. Unsere bunten Schätze, die wir von der Wanderung mitgebracht hatten. Und wir wollten ein paar Seifenblasen pusten, bei Johannes sein. Ihm einen ganz persönlichen Besuch abstatten. Wir waren nicht die einzigen, die Johannes besuchten. Wir sahen es an den kleinen Besonderheiten, die von seinen Besuchern mitgebracht wurden…

Ein Affe vom Bruder gebastelt:

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Windspiel…

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Ein „Bob der Baumeister“ für kleine Kerle:

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Und ein sehr stolzer Löwe.

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Eine süße kleine Holzpfeife ist links auf dem Geschenke-Bild oben im Beitrag zu sehen. Und eine schöne Rose fanden wir am Grab.

Wir sind froh, das dieser lange Tag zu Ende ist. Wir haben sicher das beste draus gemacht, was man draus machen konnte. Und wir danken allen, die uns begleitet haben, die Johannes etwas gebracht haben, die uns nahestanden. Die den Tag zu dem gemacht haben, was er war. Danke an alle, die uns -wie auch immer- nahe waren.

Es grüßt herzlich

die Löwenmama

…ich vermisse nichts…

7. Oktober 2011

So fühle ich. …ich vermisse nichts… Und das ist es, was mir weh tut.

Ich dachte schon, mit mir stimmt was nicht. In immer sehr kurzen Momenten habe ich das Gefühl, als hätte ich einen winzigen Augenblick Zugang zu meinen Gefühlen. Wie wenn man einen wolkenverhangenen Himmel anschaut, der schon seit Tagen so ist und plötzlich dringt da ein kleiner Flecken hellblau durch und man weiß, dahinter ist noch mehr davon und schwupps ist die Wolkendecke auch schon dicht.

Am Grab kann ich weinen. Teilweise auch sehr arg. Da bricht so eine Hilflosigkeit über mich herein. Aber hier zu Hause weine ich teilweise gar nicht. Kein Zugang zu meinen Gefühlen.

Das schlimmste für mich ist, dass ich den Löwen nicht wirklich vermisse. Ich bin so weit weg von mir. Das fühlt sich richtig, richtig blöd an. Bilder von ihm stehen auf dem Küchentisch, seine Sachen liegen rum, aber ich habe kaum mehr ein Gefühl dafür, ein Baby gehabt zu haben. Der Löwe ist so weit weg. Ich bin von mir auch so weit weg. Und es ist so groß, es paßt noch immer nicht in meinen Kopf rein.

Ich vermisse kein Sondieren, kein Absaugen, keine Medikamente. Ich vermisse keinen Schleim, keine Temperaturschwankungen, keinen Pflegedienst. Keine durchwachten Nächte, die ich immer als viel zu kurz empfand.

Vielleicht kann ich deswegen den Löwen nicht richtig vermissen, weil das gerade ihn beherrscht hat. Es waren so viele Handgriffe zu tun, die mir oft zuwider waren. Also nicht der Handgriff an sich, ich hab jeden gern getan, sondern die Tätigkeit an sich.

Der Löwe, ganz ohne Sorgen, Ängste und diese medizinischen Interventionen ist so, so, so weit weg. Diese unbeschwerte Zeit war so wahnsinnig kurz. Das, was danach kam, so viel prägnanter.

Wenn ich auf dem ‚Spielplatz bin, sehe ich nicht mehr „ach der Löwe könnte das jetzt vermutlich auch schon, wenn…“. Ich erinnere mich, „Du hattest mal ein Baby, es wäre jetzt genauso alt“. Es fühlt sich bitter an, aber diese Vergleicherei findet gerade nicht statt. Es fühlt sich eher sehr dumpf an. Nicht mal ein richtiger Schmerz, sondern so ein dumpfes, nicht greifbares Gefühl.

Wenn ich Babies sehe in der Stadt, sehe ich sofort ein totes Baby. Vielleicht ist einfach noch so viel davor, vor diesen unbeschwerten Erinnerungen. Ach ich wünschte, sie wären einfach präsenter und der Rest würde in den Hintergrund treten.

Wenn ich an seinem Grab stehe und mit ihm spreche, wenn ich sein Bild auf dem Kreuz ansehe, dann fehlt mir der kleine Stinker so sehr. Sein Bettchen steht noch neben meinem. Ich dachte, wenn ich nachts aufwache, fasse ich instinktiv rüber, aber das ist nicht so. Vielleicht lauf ich doch nicht ganz rund.

Trauer ist vermutlich etwas sehr individuelles. Wer weiß schon im vorraus, wie man trauert?

Die Nächte sind zu lang. Ich schlafe schlecht. Kein erholsamer Schlaf. Ich bin sehr schreckhaft, oft plötzlich gehetzt und noch sehr angespannt. Zerstreut und unstrukturiert. Wir versuchen grad einfach jeden Tag so zu nehmen, wie er ist und was gutes draus zu machen. Meistens gelingt uns das.

Ich hab ein paar Alltagsengel, die hier mitlesen. Ich drück euch. Ihr seid echte Schätze.

Und ich bin gerade dabei, den ein oder anderen Brief aufzusetzen…

Es grüßt die

die Löwenmama

merkwürdige, überdurchschnittliche Meilensteine

14. September 2011

Der Löwe ist heute 13 Monate alt. Bei Wikipedia steht, dass Kinder mit Morbus Krabbe im Durchschnitt 13 Monate alt werden. Ein sehr merkwürdiger Meilenstein. Findet ihr nicht?

Ich kann mich noch gut erinnern, als wir kurz nach Erhalt der Diagnose dies bei Wikipedia lasen. Wie bitter war das zu rechnen, wann das ist und ob wir den Löwen wohl dann noch haben.

Tja und heute ist dieser Tag. Und wie fühlt er sich jetzt an? Merkwürdig. Wirklich ein sehr merkwürdiger Meilenstein.

Heut ist ein scheiß Tag. Nicht wegen des Meilensteines, grad ist der Wurm drin. Wir haben saublöde Nächte, heute Nacht hab ich vielleicht zwei Stunden geschlafen und die nicht mal am Stück. Normalerweise wach ich vor dem Wecker auf, raus aus dem Bett und los geht der neue Tag. Ich bin eher ein Frühaufsteher. Abends lange aufbleiben liegt mir nicht.

Zur Zeit sondiere ich aber noch sehr spät, bin vielleicht gegen 23.00 Uhr fertig. Oft aber auch nicht. Vor ein paar Tagen ist es mir schon passiert, dass ich den Wecker im Halbschlaf ausgemacht und einfach weiter geschlafen habe. Das ist mir wirklich zuvor noch nie, nie, nie passiert.

Heute morgen war das wohl ähnlich. Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, dass der Wecker geklingelt hat. Wach wurde ich viel zu spät. Mein Alltagsengel, die meinen Großen morgens mit zur Bushaltestelle nimmt, stand schon mit dem Auto vor der Tür um ihn einzusammeln, aber wir waren wirklich in dem Moment erst voller Verschlaf-Schreck aufgestanden. Logischerweise mußte ich warten, bis die Dame vom Kinderkrankenpflegedienst da ist, bis ich den Großen mit dem Auto in die Stadt zur Schule fahren kann und er kam natürlich viel zu spät. Mist.

Ich hab einfach so ein Schlafdefizit. Ich bin   h u n d e m ü d e  ! Ich kann nicht auf Befehl schlafen. Ich kann nicht „jetzt gehts grad“ und schwupps hinlegen und schlafen und vielleicht nach 20 Minuten wieder fit sein. Ach Scheißdreck!

Der Löwe schleimt um die Wette. Irgendwie ist wieder alles beim Alten. Man merkt einfach, dass er beim Husten wieder weniger Kraft hat, dass es schwerer fällt zu stinkern. Mir tut der kleine Löwe so leid, ich würd ihm das alles so gerne abnehmen. Dabei zuzusehen, wie man nichts tun kann, ist einfach nur schrecklich. Ein Albtraum. Grausam. Nicht zu ertragen.

Ich wollte eigentlich schon am Sonntag bloggen, aber ich war ehrlich gesagt noch zu geladen. Laut Bordstatistik landete jemand am Sonntag hier im Löwenblog, nachdem bei der Suchmaschine folgendes eingegeben wurde: „was macht man mit scheiß kindern die einen nerven?“

Das begleitet mich seit Tagen. Es hat mich so wütend gemacht für den Moment. Ach eigentlich bin ich immer noch wütend. Jeder, der Kinder hat, war von ihnen – warum auch immer – schonmal genervt. Und ja, Kinder können auch schreckliche Nervensägen sein. Das ist einfach so und das darf man auch sagen. Das, was diese Aussage so unglaublich macht ist das Wort „scheiß“. Scheiß Kinder. Scheiß Kinder? Auch das paßt nicht in meinen Kopf. Das ist einfach alles so ungerecht. Schreiend ungerecht!

Ich laß heute mal einen ganz arg lieben Gruß an meinen fahrenden Alltagsengel aus dem Nachbarort da! Du bist großartig, liebe Dani. Und auch die anderen Mamas, die mir meinen Großen vom Bus mit heimbringen. Und da hab ich noch eine Mami, die schon oft wegen des Fußballtrainings oft genug gefahren ist. Auch an Dich, liebe Katja, Danke! Ich weiß gar nicht, wie ich das wieder gutmachen kann.

Es grüßt euch herzlich

der arg verschleimte Löwe und die Löwenmama

 

 

bitter

28. August 2011

Das Leben schmeckt gerade sehr bitter.

Gestern abend kam das mal wieder alles so hoch. Eine blöde Situation mit meinem Mädchen wo sie ihren Dickkopf durchsetzen wollte und ich Grenzen setzen mußte. Ein Kraftakt beiderseits. Eine Zerreissprobe für mich. Sie hat ihren Kopf auf. Aber manchmal kann man ihn nicht durchsetzen und das versteht sie noch nicht.

Aber ich habe es schon lange erkannt, dass alles was in der Familie gerade schief läuft, multikausal ist. Es hängt zusammen. Das ganze Umfeld krankt. Ich bin mir sicher, wäre alles gerade nicht so, wie es ist, wäre die Situation nie so zustande gekommen.

Ja, das Leben schmeckt gerade sehr bitter, habe ich eingangs geschrieben. Selten habe ich es so deutlich wie gestern abend geschmeckt und das Tränenmeer ausgiebigst bedient.

Ich wollte immer so eine tolle Mama sein. Ich war immer auf jedem Fußballspiel mit meinem Großen. Jetzt auf keinem mehr. Als er so alt war wie mein Mädchen, kannten wir alle Kinderlieder auswendig, kannten alle Klappen aus seinen geliebten Klappenbüchern, spielten wir Spiele. Mein Mädchen braucht Hilfe beim Rutsche raufklettern, was andere in ihrem Alter schon in Windeseile alleine machen. Sie steigt nicht alleine Treppe, obwohl sie es sicher schon lang könnte. Nein, nicht könnte, sie kann es. Aber wir sind es, die es ihr nicht zutrauen – aus Angst, dass sie runterfällt. Steintreppe. Gar nicht auszumalen, was passiert.Für alles andere bleibt kaum Zeit, nicht genug Gelegenheit.

Auf den Spielplatz zu gehen, da hatten wir bis jetzt nie die Gelegenheit. Ich konnte ja den Löwen nicht mitschleppen und auf einem Arm den Löwen und mit dem anderen sie auf der Rutsche begleiten mit einem Arm – nein, das ging nicht. Ich kann viel, aber ich stieß allzu oft an meine Grenze in der Vergangenheit.

All das, was ich jetzt mit meinen Kindern versäume, kann ich nicht mehr nachholen.

Mein Großer kam gestern aus dem Urlaub zurück. Er freute sich riesig, wieder zu Hause zu sein. Und wir freuten uns auch, dass er endlich wieder da ist. Am Abend hatte ich das Gefühl, er wäre am liebsten wieder weg. Das tut weh. Das tut so verdammt weh. Ich bin doch ein Muttertier, durch und durch. Zum Glück ergab sich gestern noch eine Situation, wo wir darüber reden konnten. Er ist was das aller hier gerade anbelangt sehr, sehr reif. Er hat sehr genaue Pläne von den letzten beiden Ferienwochen. Freibad, Freunde treffen, Fußballtraining, welches wieder in einer ganz neuen Mannschaft bereits vor einer Woche begonnen hat, wo er sich seinen Platz im Tor sichern mag, weil er da so gut ist und es ihm so gut gefällt und nun Konkurrenz droht. Er will jeden Tag etwas für die Schule tun, um einen guten Start zu haben – ich möchte ihn so gut es geht unterstützen und mir Exklusivzeit nur für ihn nehmen.

Wie wird das, wenn die Schule wieder losgeht? Alle starten ausgeruht von den Ferien frisch durch ins neue Schuljahr. Ich bin noch viel mehr im Arsch als vor ein paar Wochen. Dieses früh morgens Aufstehen zum Sondieren und jeden Tag noch so spät zu sondieren schlaucht mich. Ich konnte mich in den letzten Wochen nicht erholen.

Ich hab dieses System ja noch nicht ganz kapiert, aber offenbar  brauchen wir die höchste Pflegestufe, damit wir den Kinderkrankenpflegedienst stundenmäßig aufstocken können. Ist ja schon alles beantragt, der MDK war zwei Tage vor des Löwen Geburtstag da – ich bin gespannt, wann der Bescheid kommt. Wenn wir kein höheres Stundenkontingent für den Pflegedienst bekommen, weiß ich nicht, wie es weitergeht. Ja irgendwie ja schon, aber ich hab keinen Plan Vor allem nicht davon, wohin das führt.

Alles hat ja bekanntlich seinen Preis. Man hört ja immer mal wieder so blöde Sprüche, diese klassischen Weisheiten des Lebens. Da gibt es ja diesen „Im Leben ist nichts umsonst – außer der Tod“. Aber das stimmt nicht. Der Preis für den Tod ist in diesem Fall verdammt hoch.

Ich habe übrigens einige sehr wertvolle Gedanken zum Thema „Freunde – Kreislauf“ bekommen. Da waren einige Aspekte dabei, so hab ich das noch nie gesehen. Ich danke euch dafür. Ich würde gern jeder etwas mehr dazu schreiben, aber ich schaff es nicht. Das tut mir leid, aber es ist so. Hier liegt seit drei Tagen das Geschenk für meine liebe Mama und wartet auf Geschenkpapier. Ich schaff ja nicht mal das… ich wollte nur sagen, ich partizipiere sehr von euren Gedanken und sie gehen nicht ins Leere.

Es grüßt euch

die Löwenmama

 

Wo geht die Liebe hin?

2. Juli 2011

Der Löwe kuschelt gerade sooo gerne. Man hat den Eindruck, er schmiegt sich nochmal extra feste an und saugt Nähe und Liebe auf.

Ich frage mich, wo geht die Liebe hin? Gibt sie ihm Frieden? Nimmt er sie mit in seiner kleinen Seele, wenn dann?

Ich möchte ihn anfüllen damit. Ich möchte ihn überschwemmen damit. Ich möchte sie ihm mitgeben im Überschuß. Wenn er sie mitnehmen kann, soll sie ihm so lange nicht ausgehen, bis wir uns wieder sehen.

Wenn dann.

Ich lauf grad über vor Kreativität. Ich arbeite gerade an den Vorbereitungen für meine Alltagsengel-Danke. Das macht Spaß!

Ich hatte vorgestern abend noch einen sehr lieben Besuch und ich muß heut oder morgen noch ein Bild zeigen. Der Löwe hat ein wundervolles Geschenk bekommen. 😀

Ihr da draußen – wir hier drin

29. Juni 2011

Ich mach ja seit langem nur noch „kleine Ausflüge“ nach da draußen. Die restliche Zeit friste ich hier drin mein Dasein.

Das kam so schleichend. Zuerst lief alles noch normal. Einkaufen war schon immer blöd. Der Löwe wollte weder in der Babyschale liegen, noch im Tragetuch sitzen. Also auf dem Arm tragen. Mein Mädchen saß vorn im Einkaufswagen. Aber einhändig einkaufen, vor allem an der Kasse, ist echt blöd.

Auto fahren mit dem Löwen ist auch blöd. Da weint er viel und der Kopf kippt ständig vor, weil er entweder Spastiken hat oder sich so komisch zusammenkrümmt. Er regt sich dabei einfach furchtbar auf und kann gar nicht mehr richtig weinen. Das kostet ihn so viel Kraft.

Irgendwann ging ich nur noch in Begleitung einkaufen. War einfach leichter. Ich kann den Löwen tragen und z.B. meine Mama schiebt den Wagen, legt an der Kasse auf, greift in die Tiefkühltruhe. Da kommt man mit Baby am Arm oft kaum an was hin.

Dann ging das los, dass er so arg verschleimt war und abgesaugt werden mußte und wir hatten kein mobiles Gerät. Vor allem fehlt mir dann ne Ablagemöglichkeit und mindestens zwei Arme. Seitdem lassen wir es sein. Jetzt haben wir das mobile Gerät, aber auch damit ist es blöd.

Ich komme hier nur noch gaaanz wenig raus. Wenn der Löwenpapa da ist, kann ich mal kurz entschwinden. Laufen gehen, mich freilaufen. Schnell einkaufen, Friseur, … aber die Welt da draußen kommt mir inzwischen so fremd vor. Ganz merkwürdig. Ich komme mir vor wie ein Gast. Es fühlt sich komisch, total unwirklich an.

Ich habe hier viele liebe Menschen, die mir alle möglichen Wege abnehmen. Fußballplatz fahren mit dem Großen z.B. oder vom Bus holen, wenn er von der Schule kommt. Das ist großartig. Auch an dieser Stelle mal ein ganz großes DANKE an euch! Das ist für den kleinen Löwen und auch mich eine riesen Erleichterung.

Ich komm teilweise hier die ganze Woche nicht raus, oft auch länger. Nur im Haus und im Garten. Eingekerkert wie in einem goldenen Käfig.

Auf was warte ich eigentlich? Wie krank ist das eigentlich?

Grüße von da drinnen an euch da draußen

eure Löwenmama

Fingerabdruckketten – der Löwe hinterläßt jetzt schon Spuren…

25. Juni 2011

Gestern wurde uns ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Wir haben einen wundervollen und ersehnten Schatz bekommen.

Ich habe vor ein paar Jahren in ein Forum mit vielen tollen Frauen gefunden und dort während der Schwangerschaft mit „gleich schwangeren“ Frauen in einem Thread geschrieben. 29 dieser Frauen hatten eine wunderschöne Idee. Sie schenkten uns Fingerabdruckketten mit den Abdrücken des Löwen.

Das war eine schwere Geburt. Das kann man so sagen. In diese Idee hatten wir uns sofort schrecklich verliebt. Der Gedanke, einen Fingerabdruck an einer Kette unser Leben lang nah an unserem Herzen zu tragen wurde so wichtig.

Die Firma, die die Ketten fertigt, ist in England. Es kamen Fingerabdrucksets und wir hatten schon die ganze Zeit ehe sie kamen Angst, dass es zu lang dauert und der Löwe nicht mehr bei uns ist. Es wurde zur fixen Idee, an die man sich viel zu sehr klammerte. Vielleicht läßt es sich schwer nachvollziehen, aber mir raubte es den Schlaf, dass die Fingerabdrucksets zu spät kommen könnten. Der Löwe begann zu diesem Zeitpunkt damit, beim Schlafen teils sehr lange Atemaussetzer zu haben.

Es kam der Tag, da waren die Fingerabdrucksets endlich da. Um die Fingerabdrücke zu nehmen, muß man Dentalabdruckmasse (zwei kleine Klumpen) zusammenkneten. Sobald beide Massen miteinander verbunden sind, härtet sie recht bald aus. Der Löwe schlief gerade so friedlich in meinem Arm, der Moment war perfekt. Ich knetete, legte die kleine Kugel bereit und nahm seinen Finger. Als ich gerade dabei war, seinen kleinen Finger in die weiche Masse zu drücken, begann er schrecklich zu schreien wie sonst nie. Ich sah natürlich sofort nach was los ist und ehe ich wenige Sekunden später wieder mit dem Finger an der Masse war, begann sie auszuhärten.

Mich ergriff blanke Panik. Ich begann zu heulen. Ich schwitzte. Vielleicht denkt ihr „meine Güte, die spinnt ja“, aber der Gedanke, das jetzt verkackt zu haben und diese Ketten nicht bekommen zu können war furchtbar für mich. Ich überlegte und nahm die zweite Masse, knetete sie zusammen, teilte sie, knetete die andere unentwegt weiter und machte rasch den einen, dann den anderen Abdruck, denn der Löwenpapa wollte einen anderen Finger. Ich dachte mir, seine Finger sind so klein, dann wird auch die halbe Masse ausreichen.

Ich kommunizierte per E-Mail und wir bekamen innerhalb weniger Tage nochmal Abdrucksetzs. Die als nächstes angefertigten Abdrücke waren aber nicht so schön. Die Hände des Löwen sind immer fest geschlossen und innen darum feucht, die Haut leicht aufgequollen oder wie soll ich sagen. Man bekommt die Hände nie richtig auf. Er hat von der ständigen Fäustchenhaltung bereits Querrillen an den Fingern. Sie sehen deswegen sicher etwas anders aus als die anderer Babies.

Die Abdrücke waren rasch in England. Wir versandten die ersten mit der halben Masse. Wir bekamen einen Brief, dass sie sie nicht verwenden können, die Abdrücke sind zu schwach ausgeprägt. Es lagen neue Abdrucksets dabei. Ich hab so geheult.

Wir warteten einen guten Moment und machten nun zum dritten Mal Abdrücke. Ich schrieb in meinem besten Schulenglisch (das ist ein Witz!) einen Brief dazu, beschrieb die Situation und warum wir keine besseren Abdrücke machen können und das sie -bitte- die Abdrücke einfach so machen, wie sie sind.

Wir warteten und warteten und rechneten auch damit, dass schlichtweg keine Fingerabdruck-Anhänger möglich sind. Gestern war es soweit. Der Postbote brachte ein dickes Kuvert aus England, ein Einwurfeinschreiben. Da konnte nur wertvolle Fracht drin sein. 😀

Ich hatte Tränen in den Augen. Diese Anhänger sind einfach nur wunder-, wunderschön. Und das beste – normalerweise werden die Abdrücke von dieser Firma 18 Monate aufbewahrt, stand in dem beiliegenden Begleitschreiben, aber die des Löwen haben sie uns mitgeschickt. So können wir sie aufbewahren und ggf. verwenden, falls ein Anhänger kaputt oder gar verloren geht. Ich bin sehr beruhigt. Ich fühlte mich gestern sehr friedlich damit.

Auch an dieser Stelle möchte ich, möchten wir, nochmal euch allen danken!

Wie oft hört man „ach, das Internet. Das ist nicht echt. Was willst Du denn damit?“ – Das ist nicht richtig. Ich habe vor allem in den letzten Monaten so viel wertvollen Input aus diesem Forum mit seinen wunderbaren Frauen bekommen. Und nicht nur virtuelle Worte. Es gab Zeiten während der Diagnostik, da bekam ich teils täglich, teils alle paar Tage Pakete, Päckchen, Briefe, Karten mit den liebenswertesten Sachen. Viele davon begleiten uns jeden Tag. Vielleicht fange ich mal an und mache davon Schnappschüsse und stelle sie hier ein…

Wo mein Umfeld im realen Leben versagte, ob aus Hilflosigkeit, aus Verdrängung, zu großer eigener Bestürztheit – diese Frauen waren da. Vielleicht hatten sie den Vorteil, dass sie überelgen konnten, ehe sie schrieben, dass sie reinklicken konnten bei mir, wenn sie just in dem Moment die Nerven, die Kraft dazu hatten. Wenn sie die Zeit und genug Ruhe dazu hatten. Das klappt im realen Leben nicht immer. Aber sie waren da.

Und wie so oft schrieben sie, dass sie für uns eine oder mehrere Kerzen angezündet haben. Wie oft war ich nachts wach und online und das waren Grüße von ihnen, dass sie an uns denken und uns eine schlafreiche Nacht wünschen. Ich habe selbst schon oft für jemanden eine Kerze angezündet. Wenn ich mir alle die Kerzen vorstelle, die man für uns da schon angezündet hat, muß es ein riesengroßes Lichtermeer sein. Es zaubert Gänsehaut. Danke, Mädels, dass ihr -uns- mir die Stange haltet.

Und auch ein großes Danke an die treuen Seelen aus meinem echten Leben, die nicht einfach so verschwunden sind. Das sind Menschen, mit denen ich im Vorfeld nicht den engsten Kontakt hatte. Wo man nicht jeden Tag, jeden zweiten oder dritten durchgeklingelt hat. Aber diese wenigen Menschen sind seit der Diagnostik schon für mich, für uns da. Ich hab auch jetzt nicht immer die Kraft, selbst den Hörer in die Hand zu nehmen, aber die schaffen das und rufen hier an. Alle paar Tage, jede Woche, alle 10 Tage. Das tut gut. Ihr alle seid meine, unsere Alltagsengel. Ich danke euch von Herzen. Ihr wißt nicht, wie gut das getan hat und immer noch tut. Einfach nur Danke. Es kommt der Tag, da kann ich es zurück geben und ich werde es von Herzen gerne tun.

Eure Löwenmama