Archive for September 2012

14.38 Uhr – heute vor einem Jahr

24. September 2012

Kleiner Löwe,

heute vor einem Jahr hast Du aufgehört zu atmen und bist in meinen Armen gestorben.

Heute vor einem Jahr hast Du Deinen Kampf wie ein echter, großer Löwe gegen die Windmühle Morbus Krabbe aufgehört. Aufgegeben hast Du nie.

Heute vor einem Jahr hast Du Deine Flügelchen bekommen und sie mutig ausgebreitet. An der Hand Deines Schutzengels hast Du Dich nach dorthin auf den Weg gemacht, wo Du keine Schmerzen mehr hast. Wo Du eine Freundin hast. Eine Party hattest Du zu feiern. Ein guter Grund dem Morbus Krabbe eine lange Nase zu drehen.

Feier heut schön Sophias Geburtstag, kleiner Löwe. Gib ihr einen dicken Kuß von uns allen hier unten. Wir feiern hier ein bißchen mit. Etwas leiser. Weil wir euch nicht stören wollen bei eurem tollen Fest auf der anderen Seite des Regenbogens. Heute ist die Mami traurig, ohne das Du Dich darum zu kümmern brauchst. Hab Spaß. Die Luftballons steuern wir bei. Sie finden den Weg sicher nach oben.

In Gedanken fest bei Dir und Sophia

Deine Mami, Dein Papi, Dein Bruder der Dich sehr vermisst und Deine kleine Schwester, die ganz viel von Dir redet, täglich mit Dir spielt…

Wir lieben Dich sehr, Johannes!

Überlebensstreß

23. September 2012

Ich habe sehr lange nicht geschrieben. Erst wußte ich nicht was, dann schien es mir nicht geeignet, dann war es zuviel oder ich konnte es nicht sortieren.

Ich überlebe und es ist anstrengend. Nicht, dass ich es so nicht in Ordnung finden würde, aber ich hab mir mein Leben schon sehr voll gepackt. Der Motor muß immer laufen. Keine Pause, sonst fange ich an zu denken. Ich will nicht denken. Also muß der Motor weiter laufen.

Die Baustelle nervt mich gerade. Ich hoffte, dass wir bis Mitte November einziehen können. Ob wir den Termin halten können ist gerade fraglich.

Arbeiten ist gut, ich habe meine Wochenarbeitszeit erhöht, weil ich über 100 Überstunden hatte.

Ich fange morgen ein Praktikum im Kindergarten an. Ich habe dieses Jahr bereits an dem 1. Modul für die ehrenamtliche Kinderhospizbegleitung teilgenommen, es folgen noch vier. Eines davon ist ein 60-stündiges Praktikum in einer Einrichtung mit Praxisbezug. Ich habe ein paar Bewerbungen losgeschickt und für jede Bewerbung wider Erwarten eine Zusage erhalten. Ach habe ich mich gefreut. Letztlich habe ich mich für einen Kindergarten mit Integrativplätzen entschieden. Eher hab ich mich spontan verliebt. Ein sehr schöner Kindergarten. Ich empfinde ihn als sehr liebevoll geführt und habe großen Respekt davor, mit wieviel Engagement man darum bemüht ist, wirklich jedes Kind – egal was es hat – aufzunehmen und so gut wie möglich zu begleiten. Es wird mit Gebärden gearbeitet, wenn nötig ein Kind vom Pflegedienst begleitet. Ich bin ab morgen für einen Monat jeden Vormittag für drei Stunden dort. Morgen ist mein 1. Tag. Ich freue mich sehr darauf.

Wir hatten lange überlegt, was wir an Johannes erstem Sternenreisetag machen sollen. Ich entschied mich dafür, das Praktium an diesem Tag zu beginnen. Es ist meine Mission, die ich ohne die Erfahrung mit Jo vermutlich nie oder niemals jetzt gemacht hätte. Es gibt kaum einen besseren Füllstoff als der Start in dieses Praktikum für diesen Tag.

Der Löwenpapa ist mit seinem Studium fertig und freut sich jetzt über seinen Master. Er verändert sich nun beruflich (was seine Stelle anbelangt) und *endlich* hat er eine heimatnahe Stelle und wir können ein ganz normales Familienleben führen. Jeden Tag kann er heimkommen, jeden Tag zu Hause schlafen. Ich abends nicht alleine. Ein Traum. Den wir bis auf wenige Monate noch nie leben konnten. Sensationell.

Das Bild, als ich ihm die Tage nachreiste um mit ihm gemeinsam auf den Abschlußball zu gehen, war für mich gefühlt ein Abschied aus dieser Reisezeit. Hier ein Bahnhof, da ein Autobahnparkplatz. Schluß, aus, vorbei!

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Die molekulargenetische Untersuchung steht an. Wir haben alle Details geklärt. Evtl. morgen lassen wir das Blut abnehmen, schicken es ein und werden u.U. nach drei bis vier Wochen ein Ergebnis haben. Wir hoffen ein aussagekräftiges.

Letztes Jahr um diese Zeit wußten wir nicht, dass es Johannes letzter Abend ist. Das uns eine letzte Nacht mit unserem kleinen Stinker bevor steht. Das er am nächsten Tag zu den Sternen reisen wird. Ohne Vorankündigung.

Diese Drei-Kind-Familien bringen mich zur Zeit in den blödsten Situationen zum Weinen. Im Mc-Donalds reihte eine Mama ihre drei wohlerzogenen Sprößlinge auf der Sitzbank auf ehe die Tabletts auf dem Tisch vom Papa abgestellt wurden. Ich biß grad in meinen Burger und mir liefen die Tränen runter. Ich hätte doch auch so gern so eine Familie gehabt.

Ich muß zur Zeit zu oft darüber nachdenken wie es wäre, wenn Johannes gesund wäre. Alles hat sich so verändert. Wir haben uns auch so verändert, es hat so viel mit uns gemacht. Nicht alles ist schlecht, aber ich hätte diese Erfahrung nicht gebraucht.

Heute haben wir bei „unserem“ Steinmetz einen Entwurf für einen Grabstein für Johannes in Auftrag gegeben. „Unser“ Steinmetz war ein Zufallsfund. Wir waren auf der Suche nach einem bestimmten Steinboden für unser Haus und so gerieten wir an ihn. Dieser Mann hat eine besondere Liebe für seine Steine und schon sehr bald entschieden der Löwenpapa und ich, dass er derjenige sein wird, der Johannes Stein machen wird. Wir sollten heute (am Sonntag!) kommen und unseren Steinboden ansehen, ob er uns gefällt und dabei haben wir ihm gleich den Anschlußauftrag erteilt. Unsere Vorstellungen mitgeteilt und skizziert und einen sehr schönen Stein ausgesucht. Ich habe dabei inzwischen ein sehr gutes Gefühl. Ich konnte mir anfangs auf keinen Fall sowas wie einen Grabstein vorstellen. Aber jetzt paßt es für mich.

Das war ein kleiner Ausschnitt aus unserem Leben zur Zeit…

Vielleicht denkt ihr morgen mal an uns. Ich weiß noch nicht, wie der Tag werden wird. 14.38 – ich will nicht auf die Uhr schauen und diese Zahlen sehen. 😦 Mein einziger Wunsch ist, gehalten zu werden.

Johannes, morgen ist fett Party im Himmel angesagt. Sophia hat Geburtstag und deswegen mußtest Du letztes Jahr so plötzlich auf und davon.

Sophia ist die Tochter unserer ehem. Kinderhospizbegleitung und jetzt sehr engen Freundin. Sophia hätte morgen Geburtstag gehabt. Welch merkwürdiger Zufall das war, dass Johannes ausgerechnet an Sophias Geburtstag starb.

Es grüßt euch herzlich

die Löwenmama